Seit 1995 sind Stipendiatinnen und Stipendiaten aus den Genres Bildende Kunst, Literatur und Film zu Gast im Rostocker Schleswig-Holstein Haus. Die Hanse- und Universitätsstadt Rostock, das Land Mecklenburg-Voprommern und die Rostocker Partnerstädte fördern den Aufenthalt im Schleswig-Holstein-Haus. Internationale Gäste waren bisher aus Japan, Korea, Dänemark und Polen zu Besuch.
Name: Helge Griem
Geburtsjahr:
Genre: Druck, Illustration, Skulptur, Installation
https://www.instagram.com/manufactured_helge
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Im Rahmen meines Stipendiums im Schleswig-Holstein Haus Rostock von Oktober bis Dezember 2024 widme ich mich der intermedialen Erforschung der Entfremdung des Menschen von seiner natürlichen Umgebung. Mein Ziel ist es, die Suche nach einem provisorischen Unterschlupf im Anthropozän zu thematisieren und die komplexe Beziehung zwischen Mensch und Natur zu beleuchten.
Durch die Kombination klassischer Techniken wie Zeichnung und Objekterstellung mit zeitgenössischen Ansätzen wie Installationen, 3D-Modellierung, KI-gesteuerten Kunstwerken sowie Klang- und Videoinstallationen, möchte ich ein facettenreiches Kunstwerk schaffen. Dieses soll nicht nur die Herausforderungen unserer modernen Welt reflektieren, sondern auch zum Nachdenken über unser Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit anregen.
Ein zentraler Aspekt meines Vorhabens ist die Partizipation der Besucher. Ich lade sie ein, aktiv an den Kunstwerken teilzuhaben, um einen Dialog über die Mensch-Natur-Beziehung zu fördern. Die Ergebnisse dieser künstlerischen Auseinandersetzung werden in einer öffentlichen Ausstellung präsentiert, die dazu anregen soll, über die eigene Verbindung zur Natur nachzudenken.
[anderkawer]
In Rostock entsteht eine neue Videofolge für das Langzeitprojekt [anderkawer], diesmal wird die Situation queerer Eltern in der DDR der 1980er Jahre beleuchtet. Dabei verleihen Rostocker*innen den Texten ihre Stimme.
[anderkawer] untersucht die Situation von nicht heteronormativen Eltern und den damit verbundenen Ideologien von Familie und Mutterschaft in den letzten 100 Jahren in Deutschland. Im Spiegel der Printmedien und der Öffentlichkeit wird die Unsichtbarkeit sowie Sichtbarwerdung insbesondere lesbischer Mütter visualisiert. Diese autobiografisch inspirierte, detektivisch anmutende Forschung und ihre Ergebnisse laden in diesem stetig wachsenden Onlinearchiv eine breite Öffentlichkeit zum Nachspüren ein: anderkawer.annettehollywood.com
Name: Annette Hollywood
Geburtsjahr: 1969
Genre: Medienkunst
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annette hollywood setzt sich kritisch und humorvoll mit gesellschaftspolitischen Fragen, wie Machtverhältnissen und Aufmerksamkeitsökonomien auseinander. Mit performativen Aneignungsstrategien interagiert sie in pop- und massenkulturelle Phänomene und dekonstruiert massenmedial geprägte Formate und Sichtweisen. Dabei entstehen queerfeministische Reflektionsräume über gesellschaftliche Bedingungen des Mensch- oder Künstler*in-Seins in einer medial geprägten Welt und eine selbstermächtigende Geschichtsschreibung jenseits von Mehrheitserzählungen.
hollywood‘s vielseitige zeitbasierte Arbeiten in diversen Formaten überschreiten dabei die Grenzen von Medien und Genres.
Die Entdeckung des Rostocker Kubismus in den 1960er Jahren - Eine Ausgrabung ( ... die imaginär stattgefunden hat)
Leben und Werk der Tedi Holm sind in jeder Hinsicht geheimnisvoll. Verantwortlich dafür ist der Umstand, dass sie zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Erschwerend kommt hinzu: Das Œuvre ist schmal, die Lebensdaten sind spärlich. Einzig ein Tagebuch dokumentiert ihr Schaffen. Die Ausstellung hebt das vielschichtige Werk einer Rostocker Ausnahmekünstlerin der 60er Jahre ans Licht – und stößt unverhofft auf einen weiteren Namen. Wer ist Maxi Maler?
„Man sollte meinen, die Kunst sei wahrheitsliebend und das ist sie auch, keine Frage. Katharsis, Erkenntnis, Offenbarung. Die andere Seite der Kunst ist jedoch ihre inhärente Unwahrheit, ihr Spiel mit der Fiktion. Dieses Paradox löst sich nur auf, indem man sich eingesteht, dass sie beides, nämlich eine‚ aufrichtige Täuschung‘ ist.“
Aus: Tedi Holm, Tagebuch 1957.
Name: Martina Wolf
Geburtsjahr: 1967
Genre: Videoarbeiten, Fotoarbeiten, Installationen
In den neu entstehenden Arbeiten am Stipendienort Rostock möchte ich zwei Motivlinien verbinden:
1. Bilder von architektonischen und städtischen Räumen
2. Pflanzen-Aufnahmen
Ein ungewohnter, anderer Blick auf Details der Stadt Rostock soll entstehen, vermittelt durch die lebendige und schöne, oft zu wenig beachtete Präsenz von Pflanzen im Stadtraum. Die intensive Betrachtung und Wiedergabe von Details möchte ich verbinden mit Fragen zum Stadtraum und mit botanischen Themen.
In meinen jüngsten architekturbezogenen Foto- und Videoarbeiten sind es Pflanzen, die Bewegung und Veränderung in den Bildflächen erzeugen. In den monatlichen Videoarbeiten für den Botanischen Garten Frankfurt, die seit der Pandemie entstehen, sind Pflanzen die Hauptdarsteller. Und auch in den wieder aufgenommenen zeichnerischen Arbeiten sind Pflanzen mein Gegenüber.
Die ARBEITEN mit PFLANZEN möchte ich fortsetzen und ausdifferenzieren.
Ein eher zufälliger Fund in der Frankfurter Karl-Marx-Buchhandlung bestärkte mein Vorhaben: die Veröffentlichung des Herbariums von Rosa Luxemburg im Dietz-Verlag. Das Buch bildet die gesamte Pflanzensammlung Rosa Luxemburgs ab und macht die Pflanzenliebe dieser großen politischen Kämpferin und Autorin explizit sichtbar.
Ich nehme dieses Buch zum Anlass, meine eigene Liebe zu Pflanzen mit meinen künstlerischen Mitteln sichtbar zu machen.
Aber auch mit diesem erweiterten Inhalt möchte ich die thematische Ausrichtung meiner Arbeit beibehalten: die Wahrnehmung der Zeit, die Schärfung der Aufmerksamkeit im Sehen, die enge Beziehung zum Bild. In dieser Erweiterung liegt zugleich die Möglichkeit der Intensivierung und Fokussierung.
Die neuen Arbeiten sollen das für mich als Künstlerin wichtige Spannungsfeld zwischen konkretem Bezug und bildnerischer Arbeit transportieren.
Abgebildete Arbeit:
AM HAUS / IM GARTEN | 2-Kanal-Video
Bearbeitung für 46-/50-Zoll-Monitore | 60min. Ohne Ton. Loop
Museum Angewandte Kunst | Frankfurt am Main. 2023
Präsentation: Kramer lieben
Video: Martina Wolf
Dokumentation. MAK. 2023
Projekt: THE VESSEL IS FULL OF RUINS AND I AM BATHING IN IT
Die Spuren der glorreichen Vergangenheit von Rostock kommen nur schwer zum Vorschein. Was vermitteln uns diese Spuren? Sie können eine Art Memento Mori sein, Zeichen für Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit, aber auch eine Übertragung von Regeneration.
Diese Eindrücke der Vergangenheit werden in großen, monumentalen Textilwerken wiedergegeben. Die Textilarbeiten werden wie große Segel dem Meer oder dem Wind angeboten, als Metapher für die Unberechenbarkeit der Faktoren der Zeit. Dabei kommt auch das starke gleichnishafte Bild auf Schiffe und das Meer als Symbol für die Herausforderungen unserer Gesellschaft ins Spiel.
Name: Jérôme Chazeix
Geburtsjahr: 1976
Genre: Installation, Performance, Textil
Jérôme Chazeix interessiert sich für Inszenierung. Seine monumentalen Installationen bestehen aus Textilien, sind betretbar und bilden sinnliche Skulpturen. In Rostock hat sich der Berliner Künstler mit den Überresten der Vergangenheit auseinandergesetzt und die Geschichte der Stadt in eine Komposition für unsere Gegenwart verwandelt.
Seit ca. drei Jahren forsche ich künstlerisch zu dem Thema „Apis mellifera“ - die Europäische Honigbiene, der Biene als Gesamtorganismus. Mein Interesse gilt den zeitlichen und räumlichen Ebenen, der Wahrnehmung von Zeit, den Klängen der Körper und ihrer Verdichtung zu bestimmten Zeiten, dem Transformativen.
Name: Dana Jes
Geburtsjahr: 1973
Genre: Angewandte Kunst
www.danajes.com
installativ I skizzenhaft I Zeichnungen I keramisch I Risse I Schatten I Dualität I Dämmerung I Wörter I Momentaufnahmen I Seiten I Tagesausschnitte I spielerisch I Wahrnehmung I Eindrücke I Objekte I Dialog I Sammlung I raumbezogen I Stille I Licht I zwei Seiten I jetzt I Zeit I experimentell I erdig I innen I außen I Bewegung I spielen I Wurzeln I wild I Klang
Ich begann mit dem Flüssigen, dem Vermischen von Wasser und Ton, verschiedene Tone, Massen, Reste, die in Eimern, Gefäßen trockneten, nahmen flüssig die Form ihrer Umgebung an. Sie entstanden im eigenen Rhythmus des Verdunstens von Wasser, in ihrer eigenen Zeit. Über einen Zeitraum von einem Jahr (2022) formte sich gespeicherte Zeit, über einhundert Stücke, in Reihung, einzeln, gebrochen, als Teilstück und Objekt.
Die Aufmerksamkeit galt dem Fluiden, sich Ändernden, in Bewegung Seienden, dem Prozess der Veränderung, den Wahrnehmungen von Klang und Raum.
Das Schwirren der Flügel erzeugt Klänge, der Flug der Biene hinterlässt unsichtbare Linien im Raum – dazu entstanden Zeichnungen, Skizzen für Raum erzeugende Objekte, linienhaft..
Bezug nehmend auf den Film „Eine Frage der Haltung“ von Felix und Miriam Remter beschäftige ich mich mit den von Menschen konstruierten und bereit gestellten „Wohnungen / Beuten“ für Bienen und der natürlichen Form der Zeidlerei. Dies führte mich zu der Frage: wie wir aus dem Denken „in der box“ heraus kommen können; führte mich zu den wilden Bienen, deren Lebensraum sind: Uferböschungen, Erdhaufen, Baumhöhlen, Lehmwände....
Die Akten Sucher beziehen sich auf meine Anfrage im Stasi-Unterlagen-Archiv (Bundesarchiv) zum Kreuzworträtselmord aus dem Jahr 1981 in Bezug auf meinen Vater. Dieses Verbrechen war eines der bekanntesten Fälle in der Kriminalgeschichte der DDR. Der Fall wurde durch eine breit angelegte Schriftvergleichung aufgeklärt. Mein Vater hat scheinbar an diesem Fall mitgearbeitet.
Name: Jana Müller
Geburtsjahr: 1977
Genre: Fotografie / Installation / Konzept
Jana Müllers künstlerische Recherche ist eine ständige Spurensuche, die sich mit gesellschaftlich wichtigen Themen auseinandersetzt und dabei das Medium Fotografie in seinen medialen Dimensionen reflektiert und anwendet. Sie beschäftigt sich dabei mit der Rolle von Archiven bei der Darstellung von Identität und Geschichte und ebenso mit der Materialisierung von Erinnerung. Die Künstlerin greift sehr oft die Faszination für wissenschaftliche Polizeiarbeit auf und entwickle diese für ihre künstlerischen Zwecke weiter. Ihre raumgreifenden mixed-media Installationen sind Bestandsaufnahmen und Dokumentationen von meist rätselhaften Geschehnissen. Ebenso arbeitet Jana Müller in zahlreichen Kooperationen in Künstler*innenprojekten.
http://falscherhase.jana-mueller.de
Während des Aufenthalts in Rostock möchte ich eine Spur weiterverfolgen, die an die Ostsee führt und aus der Recherche zu meinem aktuellen Langzeit-Projekt Falscher Hase (seit 2020) hervorgetreten ist. Mein Projekt möchte ich als autobiografische Zeitreise und sich ständig selbstüberschreibendes Experiment bezeichnen. Ausgangspunkt sind zahlreich geführte Gespräche mit meinem 85-jährigen Vater. Dieser war zur DDR-Zeit als Kriminalist tätig. Verbrechen gab es offiziell in diesem Land nicht, dennoch hat mein Vater viel zu berichten. Ich möchte die Geschichten meines Vaters, ins Verhältnis setzten, zur Jetzt-Zeit, wo Verbrechen geschehen und zeitgleich auf den sozialen Netzwerken angeschaut werden können. So habe ich mich zum Beispiel auf die Spur nach Neuseeland oder nach Sachsen-Anhalt begeben. Ebenso führt mich meine Suche in diverse Archive, um weiteres Material für meine Forschung und Analyse zu sammeln. In dem Online-Archiv http://falscherhase.jana-mueller.de sind Gespräche mit meinem Vater und die Dokumente meiner daraus folgenden Spurensuche versammelt. Eine künstlerische Praxis, die in ihren vielen Überschneidungspunkten mit der vergangenen Arbeit meines Vaters zu meiner eigenen Arbeitsweise geworden ist.
Mein Bruder war zu DDR-Zeiten Seemann und am ehemaligen Überseehafen Rostock stationiert. Er schickte mir Postkarten aus Rio de Janeiro und brachte, für die damalige Zeit, exotische Geschenke mit nach Hause. Seinen rätselhaften Erzählungen möchte ich in meiner künstlerisch wissenschaftlichen Recherche vor Ort auf den Grund gehen und meine begonnene Forschung z.B. zur DDR-Handelsflotte vertiefen. So möchte ich verschiedene Archive und Museen (z.B. Stadtarchiv Rostock, Schifffahrtsmuseum Rostock) aufsuchen, aber auch mit dem fotografischen Blick auf die Ostsee, die Sehnsucht nach dem Unbekannten befragen. Diese Spuren werden direkt in mein Online-Archiv Falscher Hase überführt und in Installationen übertragen. Es ergibt sich somit eine Kombination an Beweisen des Persönlichen, des Kriminalistischen und des Künstlerischen.
„Diese Zeit hinterlässt uns nur einen Imperativ: dass wir die Welt verändern müssen und dass dies möglich, notwendig und dringend ist – auch wenn wir es nicht sofort schaffen, es so umzusetzen, wie wir es gerne hätten.“ (Nanni Balestrini im Interview mit Rachel Kushner, 2016)
Abb. oben: Katja Windau: Der Apparat. Ausstellungsansicht Frappant Galerie, 2020 (Foto: Wolfgang Oelze)
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Name: Katja Windau
Geburtsjahr: 1972 (Cuxhaven)
Genre: muldimediale Kunstproduktion
Katja Windaus Arbeiten thematisieren gesellschaftliche Zusammenhänge, in denen sich von Machtapparaten geprägte oder sexualisierte Strukturen offenbaren. Sie arbeitet multimedial und bevorzugt mit natürlichen oder recycelten Materialien wie Wolle, Pappmaché etc.
Abb.: Katja Windau: Zeitenwende. Installationsansicht Künstlerhaus Sootbörn, 2023 (Foto: Katja Windau)
Das Projekt "Unterbrochene Narrative" ist von der 1993 erstausgestrahlte Dokumentation „The truth lies in Rostock“ inspiriert. Ausgehend von den Angriffen rechter Gewalttäter:innen in Lichtenhagen und den im Sonnenblumenhaus lebenden Geflüchteten beschäftigt sich diese Dokumentation mit den Perspektiven der Menschen, die Opfer der Gewalt wurden. In den meisten medialen Auseinandersetzungen mit den Vorfällen (z.B. Wer Gewalt sät. Von Brandstiftern und Biedermännern (1993) und Wir sind jung. Wir sind stark (2014)) steht die Perspektive der weißen Täter*innen im Mittelpunkt. Die Macher*innen von The truth lies in Rostock dagegen entwickelten Strategien, weiße Narrative durch die Perspektiven von Geflüchteten zu stören und zu dekonstruieren. Durch ihren Ansatz des participatory video ermöglichten sie den Betroffenen nicht nur die öffentliche Äußerung zu den Vorfällen, sondern auch eine aktive Einflussnahme auf die künstlerischen Prozesse. Angelegt als künstlerisches Experiment wollen wir im Rahmen des Projektes "Unterbrochene Narrative" unterschiedliche Methoden für kollaborative Kunstproduktion testen.
Name: Christ Mukenge / Lydia Schellhammer
Geburtsjahr: 1988 / 1992
Genre: kollaborative Kunstproduktion
Mukenge/Schellhammer besteht aus Christ Mukenge (geb. 1988, Demokratische Republik Kongo) und Lydia Schellhammer (geb. 1992, Deutschland). Die Künstler*innen sehen sich als Versuchskaninchen für postkoloniale Theorie und Praxis. Als deutsch-kongolesisches Duo sind sie Expert*innen für interkulturelle Kollision und reagieren auf ihre Erfahrungen und Untersuchungen in einem fortlaufenden künstlerischen Prozess, der analoge und digitale Malereien und Zeichnungen, experimentelle Videos, urbane Interventionen und Performances umfasst. Ihre spezifische Zusammenarbeit macht es schwierig, sie nach binären Begriffen von kulturellem Kontext, künstlerischen Traditionen und geografischer Herkunft zu kategorisieren und zu klassifizieren.
Das Duo hat unter anderem Arbeiten im Institut Français Kinshasa (2019), in der Galerie Noah Augsburg (2020), Galerie Oberwelt, Stuttgart (2021), im Nationalmuseum der Demokratischen Republik Kongo (2021), in der ifa Galerie Stuttgart (2022) und der Yango Biennale Kinshasa (2022) ausgestellt. Ihre experimentellen Videos wurden im Rahmen des panafrikanischen Videofestivals „BodaBoda Lounge“ (2020), im City Salts Basel/Schweiz, im Guggenheim Museum New York//USA (2020/2021) und im Lumbung Film Programm der Documenta 15 (2022) gezeigt. Sie waren Stipendiaten der Akademie Schloss Solitude (2020/21).
Die ukrainische Künstlerin Daria Gabruk war im November/Dezember 2022 als Stipendiatin der STIFTUNGKUNSTFOND zu Gast.
In großformatigen Bildkompositionen verarbeitet sie das Schicksal ihres Landes und ihre persönlichen Fluchterfahrungen mit den Mitteln der Kunst. Die Fehlstellen, verbliebene Flächen weißer Leinwand, symbolisieren Fragen, die auch die Betrachter aktuell aufwühlen.
Name: Daria Gabruk
Geburtsjahr: 1990
Genre: Malerei
Daria Gabruk, geboren in Schytomyr (Ukraine), studierte Industriedesign in Lwiw. Sie arbeitete als Designerin und Requsiteurin in Mode- und Filmprojekten, seit 2015 mit eigener Werkstatt als freie Künstlerin in Schytomyr. Seit Frühjahr 2022 lebt sie in Schwerin und war im Sommer 2022 Stipendiatin des Mecklenburgischen Künstlerhauses Schloss Plüschow.
Es ist eine Schicht aus schwerem Gestein, die uns drückt und gegenwärtig festhält. Im Gegensatz dazu bringe ich als festen Teil des Widerstehens mein Licht und meine Arbeit, die - wie ein kleiner Funke - neue Gedanken und Verständnis entzünden soll. Man muss nicht weite Wege gehen, um die Dinge zu erklären, die nicht nur Dich, sondern die ganze Welt beeinflussen.
In einem meiner Bilder wurde das Gesicht eines Kindes zur Verkörperung meines ganzen Volkes, von Erwachsenen, die wieder zu Kindern wurden. Eine Tür, die sich ohne Anweisungen zu einer neuen, völlig unvorhersehbaren Realität öffnete. Tausende Kinder, die in ein ungeschütztes Erwachsenenleben transportiert werden mussten, ohne Spielzeug und Unterhaltung, ohne Wärme und Nahrung. Tausende von Frauen, die zu einem echten Rückhalt und Schutz wurden – wie ein ganzes Universum, das Schwierigkeiten ganz allein überwindet, zu sich selbst wurde - im heiligen Gesicht von "Maria". Ich erzähle vom Glauben, der ein immaterieller Leitfaden ist und zu einer echten Stütze wird. Wenn alles zerstört ist, wenn der Körper kalt ist, sind eine Kerze und ein Gebet der einzige Glaube zwischen dir und dem weiteren Leben.
Ich erzähle von einer Entscheidung, die dich aus dem Land entwurzelt, in das du mit Seele und Leib hineingewachsen bist. Wenn du Tausende von so unbekannten und so bekannten Gesichtern siehst, Straßen, die in eine unbekannte Richtung auseinandergehen, wer sind diese Leute ...? werden sie zurückkehren ... in den Garten…
Ein wesentliches Stilmittel in den Gemälden ist die Verwendung der Inversion. Die Verwendung von hellen und sauberen Farben ist eine visuelle Täuschung ... ich erzähle keine simplen und keine leuchtenden Geschichten. Weiße Flecken, Formen – der größte Akzent - es sind die nicht gefundenen Antworten auf Dutzende von Fragen!
(Daria Gabruk, Dezember 2022)
Alexa-Karina Schöne ist Stipendiatin des Landes Mecklenburg-Vorpommern 2021. Sie setzt sich mit Motiven der Künstlerkolonien Ahrenshoop und Schwaan auseinander und nähert sich über Kurzprosa und Lyrik den Menschen und technischen Umwälzungen auf den Bildern der Zeit um 1900 an. Sie unternimmt dabei Übersetzungen der Bildsprache in die literarische Sprache.
Name: Alexa-Karina Schöne
Wohnort: im Herzen Mecklenburgs und München
Genre: Prosa, Lyrik
Alexa-Karina Schöne studierte Germanistik und Musikwissenschaft an der LMU München. In Rostock studierte sie an der Hochschule für Musik und theater sowie an der Universität mit dem Schwerpunkt spanische Literaturwissenschaft. Seit 2011 ist sie Mitglied im Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen Wiens. Sie war Stipendiatin des Poeten-Camps sowie des Mentoring-Programms des Frauenbildungsnetzwerks Rostock. 2018 war sie Stipendiatin des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf. 2021/22 ist sie Landesstipendiatin Mecklenburg-Vorpommerns im Rostocker Künstleratelier.
Alexa-Karina Schöne: Hinter den hohen Scheiben der Welt, aus: Prosa II, Sprecherin: Merlin Graf (Schauspielhaus Frankfurt am Main).
Die Performance »wel-come closer restaurant« (deutsch: Will-Kommen Sie Näher Restaurant) richtet sich auf eine Sensibilisierung der Sinne, welche zwangsläufig mit einem Gewahr werden der Umgebung einhergeht: Luca Hillen möchte – möglichst überall auf der Welt – Franchise-Restaurants installieren, welche in Wahrheit Orte sind, an denen Bekannte und Unbekannte einen geschützten Raum finden um miteinander in Kontakt zu treten. Der Künstler träumt von spirituellen Starbucks- oder McDonald’s-Restaurants. Auf den Speisekarten sind vor allen Dingen Spiele und Übungen gelistet, welche es den Gästen erleichtern soll, Ängste oder Vorurteile gegenüber anderen Mitmenschen abzubauen und stattdessen Vertrauen aufzubauen. Eines der Menüs ist ein Rundgang, bei dem die Teilnehmer:innen mit verbundenen Augen durch den Raum geführt werden. Dabei werden den Zuschauer:innen verschiedene Effekte, wie Geräusche, Düfte oder haptische Erfahrungen präsentiert.
Name: Luca Hillen
Geburtsjahr: 1983
Wohnort: Berlin
Genre: Performance / Fotografie / Film / Magazine
Luca Hillen studierte in Wales/Großbritannien Fotojournalismus. Dort gründete er das Label »coca braun«, welches 2o2o in dem Kunstkollektiv »tom is jerry« mündete. Im gleichen Jahr begann Luca mit der Publikation des Kunstmagazins PINGO. 2008 zog er nach Amsterdam mit der Absicht, an der Gerrit Rietveld Akademie den Studiengang Bildende Kunst zu belegen und studierte im Bereich der darstellenden Kunst (Mime) an der Akademie für Theater und Tanz Amsterdam. Nach seinem Abschluss im Jahr 2015 trug er im Rahmen der 56. Biennale in Venedig Gedichte vor. Seitdem bewegt sich Luca Hillen vielreisend im skandinavischen und zentraleuropäischen Raum.
Kontakt: www.peterpandreams.com
Die Atelier-Ausstellung von Ingar Krauss zeigt Fotografien der Natur, in denen das Werden und Vergehen im jahreszeitlichen Rhythmus eine besondere Rolle spielen. Ingar Krauss nimmt Früchte und Gewächse mit einer Großformatkamera auf und setzt sie geheimnisvoll, fast magisch in Szene. Dabei arbeitet der Künstler ausschließlich mit analogen Schwarz-Weiß-Filmen und bearbeitet die Fotografien nie digital. Die Abzüge entstehen in der Dunkelkammer.
Ingar Krauss war vom Juli bis September 2021 Stipendiat der Hanse- und Universitätsstadt Rostock.
Name: Ingar Krauss
Geburtsjahr: 1965
Wohnort: Berlin
Genre: Fotografie
Ingar Krauss wurde 1965 in Ost-Berlin geboren und lebt seit einiger Zeit im Oderbruch. Nach einer handwerklichen Lehre, arbeitete er als Theatertechniker an der Berliner Volksbühne und als Betreuer in der Psychiatrie. Mitt der neunziger Jahre kam er zur Fotografie. Seitdem war er an zahlreichen internationalen Ausstellungen beteiligt, wie in der Hayward Gallery, London, dem Musée de l’Elysée, Lausanne, dem Palazzo Vecchio, Florenz und dem ICP in New York.
Marta Djourina widmete sich in Rostock fotografischen Experimenten, die sich direkt mit der Umgebung befassten und zugleich das Ephemere in der Fotografie reflektierten. Unter Einbindung der ortsspezifischen Gegebenheiten – das Tageslicht des Rostocker Frühlings, das Wasser des Baltischen Meeres und der Sand des Warnemünder Strandes – entstanden im Direktbelichtungsverfahren sogenannte Chemigramme. Organisch abstrakte Kompositionen in kühl-warmen Farben halten jene situativen Eindrücke auf Fotopapier fest.
In einer anderen Vorgehensweise verwendete Djourina eine Lupe, mit deren Hilfe das Tageslicht gebündelt wird und sich infolgedessen schwarze Brandstellen mit halo-artigen Umrissen auf dem Fotopapier abzeichnen.
Marta Djourina untersucht damit einerseits die Trägermaterialien in der analogen Fotografie und geht andererseits der Frage nach, wie der Ausdruck spezifischer Lichteindrücke erfasst werden kann.
Name: Marta Djourina
Geburtsjahr: 1991
Genre: Fotografie
Marta Djourina, geboren in Bulgarien, studiert Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität Berlin und an der Technischen Universität Berlin. Im Anschluss studiert sie Freie Kunst von 2012 bis 2018 an der Universität der Künste Berlin und der Glasgow School of Fine Arts. Es folgen Ausstellungen in Deutschland und international. 2020 erhält sie das Eberhard-Roters-Stipendium der Berlinischen Galerie und 2021 den Internationalen Nachwuchsförderpries BAZA Award for Contemporary Art des Instituts for Contemporary Art – Sofia.
www.martadjourina.com
In ihrer künstlerischen Arbeit erkundet Marta Djourina das Wesen des Lichts anhand fotografischer Experimente. Sie untersucht die Ursache und Wirkung verschiedener Lichtphänomene auf lichtempfindlichem Papier und nähert sich damit dem Medium Licht – Licht wird zum Thema, zum Werkzeug und zum Untersuchungsgegenstand.
Eine performative Bewegung, ein Objekt oder eine Kombination aus beidem wird mit verschiedenen Lichtquellen nachgezeichnet und auf dem flächigen Träger des lichtempfindlichen Papiers festgehalten. Die Übersetzung des Momentanen erfolgt im Rahmen des analogen fotografischen Verfahrens als malerische und performative Geste.
So erhält das Verborgene einen fotografischen Blick, das Vergängliche wird fixiert, wodurch das Potenzial des Mediums Licht sichtbar gemacht wird. Die Übertragung performativer Gesten lässt sich im resultierenden Kunstwerk als dynamische Farbkomposition sehen.
(Marta Djourina, November 2021)
Die Aufnahme eines Blitzschlags zählt zu den ersten Fotografien Annette Fricks. Die Belichtung hält einen Augenblick fest und das Foto bewahrt ihn für die Nachwelt. Die Fotografin nutzt ihre eigenen Fotografien zur Aktivierung gemeinschaftlicher Erinnerungen. In einer autobiografischen Arbeitsweise vergleicht sie persönliche Aufnahmen aus den 1970er-Jahren mit ihren aktuellen Fotos derselben Orte.
Während ihres Rostockaufenthalts entdeckt Annette Frick auf Spaziergängen wenig prominente Bauten der Architekturmoderne, wie beispielsweise Walter Baresels Backstein-Wohnhäuser im Stil der Neuen Sachlichkeit. Ihre Ortserkundungen, basierend auf ihren eigenen Fotos aus den 1970er-Jahren, sind Korrektive von vermeintlich kollektiven Bildern der Stadt.
Name: Annette Frick
Geburtsjahr: 1957
Wohnort: Berlin
Genre: Fotografie
Annette Frick studierte Freie Kunst an der Kunsthochschule für Medien Köln bei Arno Jansen, Daniel Spoerri und Robert van Ackeren. Dort schloss sie 1988 ihr Meisterschülerstudium ab. 1992 begann sie, zusammen mit Wilhelm Hein, das Underground Magazin »Jenseits der Trampelpfade – Fachblatt für Fotografie, Film und andere Kunst« herauszugeben. Mit Wilhelm Hein gründete sie 2007 außerdem den Projekt- und Veranstaltungsort CasaBaubou in Berlin. 2011 lief ihr Dokumentarfilm »Leicht muss man sein, fliegen muss man können« über den Fotografen Herbert Tobias auf der Berlinale.
Mit »Eulenspiegel auf Hiddensee« hat der Grafiker Thomas Wageringel ein Buch geschaffen, das die Geschichten Till Eulenspiegels an die Ostsee um 1330 verlagert. Wageringel zeichnet nicht nur die Illustrationen und setzt den Text, sondern er schreibt auch selbst die Geschichten. Die Federzeichnungen sind an den Holzschnitten der Volksbuch-Ausgabe »Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel« von Hermann Bote aus dem Jahr 1515 orientiert.
Der Grafiker eignet sich gekonnt die Bildsprache der Vergangenheit an und transformiert sie in die Gegenwart. Wageringel befasst sich seit Jahren mit der Figur Till Eulenspiegels und fertigte bereits 2016 einen Jahreskalender zu den Geschichten an.
Name: Thomas Wageringel
Geburtsjahr: 1957
Wohnort: Schwerin
Genre: Grafik
Thomas Wageringel, geboren 1957 bei Leipzig, studierte Gebrauchsgrafik an der Hochschule für industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein in Halle. Er lebt und arbeitet als angewandter und freier Grafiker in Schwerin.
»Moin Till, kommst du mit zum Fang?«, fragte ein vorbeischleichender Fischer namens Hein in aller Herrgottsfrühe.
Till: »Was wollt ihr denn fangen? Wildschweine, Mäuse oder Kakerlaken?«
»Fische!« war die eindeutige Antwort. Selbstredend war Till mit von der Partie. »Aha, auf welche Fische gehen wir denn heute: Hering, Dorsch oder Scholle?«
»Fische!«
Die Insulaner hielten und halten nicht viel von langen Reden, denn das verdirbt den Charakter. Nach einiger Zeit des Segelns fragte der andere Fischer namens Lars: »Na, Till, wo vermutest du die meisten Fische?« – »Im Meer.«
Die Fischer warfen das Netz aus und holten es nach unbestimmbarer Zeit wieder ein und kippten den Fang aus dem Netz ins Boot, in die Bilge. Vom Fischgeruch und dem Schaukeln des Bootes wurde es Till ein weng übel, eigentlich sehr übel. Schnell lehnte er sich über die Bootsplanke und entleerte seinen Mageninhalt ins Meer. Die nächste größere Welle spritzte ihm seinen Auswurf allerdings zurück ins Gesicht und aufs Gewand. Die Fischer lachten laut nach Herzenslust. Lars erklärte ihm die Regel: »Speist Du nach Lee, geht’s in die See, speist du nach Luv, kommt’s wieder ruf.« – »Aha.«
Franz Jyrchs medienübergreifende Arbeiten umfassen Malerei, Skulptur und Installation. Die Künstlerin widmet ihren Aufenthalt in Rostock der Auseinandersetzung mit den architektonischen Zeugnissen der Stadt. Skulpturale Elemente aus dem öffentlichen Raum werden in ein großformatiges Relief überführt, wobei sich malerische Elemente und bildhauerische Geste überlagern.
Name: Franz Jyrch
Wohnort: Leipzig
Genre: Bildende Kunst
Franz Jyrch studierte an der Hochschule für Grafik & Buchkunst Leipzig und schloss 2014 als Meisterschülerin ab. Jyrch wurde mit dem Marion Ermer Preis ausgezeichnet, es folgten ein Stipendium für das ISCP in New York und das Studio Programm am MASS MoCA – Museum of Contemporary Art in Massachusetts. 2018/19 war sie Trägerin des DAAD Stipendiums für New York. Franz Jyrch lebt und arbeitet in Leipzig.
Afghanistan, Ende 2008. Der Stabilisierungseinsatz der internationalen Schutztruppe ISAF kippt. Die Taliban erheben sich im ganzen Land und drängen auch die Bundeswehrsoldaten in ihre Feldlager zurück. Eine gemeinsame deutsch- afghanische Operation soll das Blatt zugunsten der Schutztruppe wenden. Ziel ist der gefährlichste Distrikt des Nordens: Chahar Darreh in der Provinz Kunduz.
Zehn Jahre lang hat der ehemalige Bundeswehroffizier Martin Küfer seine Erinnerung an diese Operation verdrängt. Als er nach einem Anschlag in Mazar-e-Sharif unerwartet seinen afghanischen Freund Abdul in der Tagesschau erkennt, holt ihn die Vergangenheit ein.
Wolf Gregis: Sandseele. Roman. Rostock: Isegrimm Literatur, 2021. 382 Seiten. 15,- € (Softcover, ISBN 9783754316023)
Name: Wolf Gregis
Geburtsdatum: 1981
Wohnort: Rostock
Genre: Literatur
Wolf Gregis wuchs in Schwerin auf und lebt in Rostock. Er absolvierte eine Offiziersausbildung bei der Bundeswehr und diente im Auslandseinsatz in Mazar-e-Sharif und Kabul, Afghanistan. Er studierte Germanistik, Geschichte, Bildungswissenschaften sowie Sprachliche Kommunikation und Kommunikationsstörungen in Rostock. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Schulpädagogik und Bildungsforschung der Universität Rostock erforscht Wolf Gregis im Rahmen seiner Dissertation Theorie-Praxis-Relationen im Lehramtsstudium. Er unterrichtet darüber hinaus Deutsch und Geschichte.
www.wolf-gregis.de
Mit Abdul kam die Erinnerung. Sie stieg aus seinen braunen Augen. Es war fast, als stiege er selbst aus dem Fernsehschimmern zu mir in die Dunkelheit.
Ich hatte vier bedeutende Monate in meinem Leben. Nur vier. Alles, was danach kam, war beliebig. Ich war ein Niemand geworden. Was wichtig war, lag bereits hinter mir. Ich hatte versagt.
Und jetzt Abdul. Das war unmöglich. In der Tagesschau, in meiner Wohnung.
Ich roch ihn. Das ganze Land am dreckigen Ende der Welt, ich roch es. Es war alles wieder da: der Staub, der Gestank, das Elend, die Generatoren, das Dosenbier, die Waffen, der Frust, die Hoffnung, der Schmerz, der Feind, die Kameraden. Und vor allem Abdul.
Wir waren fast so etwas wie Freunde, vielleicht waren wir es wirklich. Zumindest waren wir einander Hoffnung. Und wir glaubten damals ernsthaft, wir könnten den Unterschied machen - wir beide, er und ich – und uns befreien. Uns am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen, den wir unser Leben nannten. Für die gute Sache. Wie lächerlich. Aber wir glaubten es. Ich glaubte es. Aber dann zuckten seine Augen, und alles war vorbei.
Aus der Perspektive der staunenden Wendy wandelt sich der Alltag in eine märchenhafte Welt. Diese verschwindet wiederum im Prozess des Erwachsenwerdens. In Theresa Steigleders Roman entsteht eine kleine und dichte Welt, die minutiös beobachtet wird. Anspielungen auf J. M. Barries Roman »Peter Pan« sind deutlich herauszulesen. Allerdings liegt dieses »Nimmerland« in einer fiktionalen Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern.
Theresa Steigleders Text vermittelt eine Wertschätzung für unbeachtete Details der Umwelt, des Zusammenlebens oder des eigenen Körpers. Der Roman weckt die Lust, mit unvoreingenommenem Blick eigene Entdeckungsreisen zu den Phänomenen des Alltäglichen im Mecklenburger »Wunderland« zu unternehmen.
Name: Theresa Steigleder
Wohnort: Greifswald
Genre: Literatur
Theresa Steigleder wuchs in einem kleinen Dorf namens Schmiedefeld am Rennsteig in Thüringen auf. Nach ihrem Bachelorstudium in Erfurt zog sie 2013 nach Greifswald, um dort 2016 ihr Masterstudium der Vergleichenden Literaturwissenschaft abzuschließen. Im gleichen Jahr stand sie zum ersten Mal mit eigenen literarischen Texten auf der Bühne. Seit 2017 hat sie Auftritte in ganz Deutschland bei Poetry Slams und Lesebühnen. Außerdem war sie Stipendiatin der POETENCAMPs 2017 und 2018 in Boltenhagen.
Im Sommer 2017 gründete sie eine Lesebühne im Greifswalder Jugendzentrum Klex. Von 2017 bis 2019 war sie Mentee im MentoringKUNST-Projekt des Landes Mecklenburg-Vorpommern bei der Berlienr Autorin Franziska Hauser.
Wendy steigt von ihrem Fahrrad und stellt es neben das große Metalltor. Belle parkt ihres gleich daneben. »Mal gucken, ob schon jemand da ist.« sagt sie und mustert die Baumkronen, die sich über dem Zaun erheben. Ihr Puls ist ein wenig erhöht. Das kann an der Fahrradtour liegen. Oder am Gedanken, dass sie gleich auf Peter treffen könnte. Ihre rechte Hand greift den klobigen Türgriff. Sie holt noch einmal tief Luft und öffnet im gleichen Atemzug das Tor.
Die beiden betreten das Gelände, das vor einem Jahr noch ein alter Schrottplatz war. »Wow, hier ist ja mal wieder ne Menge passiert.« stellt Wendy fest und staunt über gestapelte Müllberge. »Das war am Freitag noch nicht, oder?«
»Ne, Peter und Nibs haben mal wieder Nachtschicht eingelegt. Hab ich zumindest gehört.« antwortet Belle.
»Ach, die beiden.« faselt Wendy, ist aber schon längst damit beschäftigt, sich einen weiteren Überblick zu verschaffen. Nimmerland lädt dazu ein, in Kleinigkeiten zu versinken. Hier bleibt nichts, wo es mal war. Und vor allem nicht, wie es mal war. Wo letzte Woche noch ein großer Haufen Metallschrott lag, steht nun eine große offene Kiste aus zusammengeschraubten Holzbrettern.
In seiner Auseinandersetzung mit Räumen der Moderne komponiert Maix Mayer in Filmen und Ausstellungen Bilder und Texte installativ zu neuen Anordnungen. In seinem Rostocker Projekt widmet sich der Künstler dem norddeutschen Bauingenieur Ulrich Müther, der mit seinen eleganten Schalen-Bauwerken zu einem der bedeutendsten Vertreter der Architektur-Moderne der DDR avancierte. Die Gebäude können als unmittelbare Zeugnisse des Zeitgeists dienen, wie der Soziologe und Filmtheoretiker Siegfried Kracauer schreibt: »Die Raumbilder sind die Träume der Gesellschaft«.
In dem essayistischen Dokumentarfilmprojekt »Müther« arbeitet der Künstler an der Entschlüsselung dieser Raumbilder.
Name: Maix Mayer
Geburtsdatum: 1960
Wohnort: Leipzig
Genres: Konzeptkunst, Medienkunst
Maix Mayer lebt und arbeitet als Medien- und Konzeptkünstler in Leipzig. Im Jahr 1987 beendet er das Studium der Meeresbiologie in Rostock mit dem Diplom der Marinen Ökologie. Im Anschluss studiert er Fotografie an der Hochschule für Grafik und Bildende Künste Leipzig, wo er 2002 mit einem Diplom in Bildender Kunst abschließt. 2013 wird er zum Thema Fotografie und Urbanismus an der Universität der Künste in Poznan an der Fakultät Neue Medien promoviert.
www.maix.be
Die Arbeit »Blick in die Zeit« erarbeitete Falk Messerschmidt während seines Residenzstipendiums. Insbesondere beschäftigte er sich mit Uwe Johnsons Roman »Jahrestage«, dessen Stil – die Verwebung von eigenen literarischen Texten mit Zeitungsartikeln – er auf fotografische Bilder übertrug.
Geleitet von der Frage, wie die Themen der Welt nach Rostock und wie Rostock etwa in die Welt kommt, durchsuchte Messerschmidt jeden Tag die Ostseezeitung und die Norddeutsche Neueste Nachrichten nach Bildern und reproduzierte diese in groben, symbolhaften Ausschnitten.
Vor allem durch seine Beschäftigung mit den Pogromen von Lichtenhagen lag sein Fokus dabei auf den Themen Fremdenfeindlichkeit, Geschichtsbewusstsein, Erinnerungspolitik, Migration und Rechtsradikalismus.
Name: Falk Messerschmidt
Wohnort: Leipzig
Genre: Bildende Kunst
Falk Messerschmidt studierte Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Timm Rautert und Christopher Muller, sowie an der École supérieure des beaux-arts de Nantes Saint-Nazaire (FR) und der Glasgow School of Art (GB). Er war Meisterschüler an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Ingo Meller.
Falk Messerschmidt lebt und arbeitet in Leipzig.
Die in Berlin und Leipzig lebende Künstlerin Yvon Chabrowski untersucht in ihren Video-Skulpturen die Beziehungen von Körpern und Raum, indem sie mediale und räumlich-soziale Grenzen auslotet. Die Bildschirme ihrer Arbeiten sind als eigenständige Objekte frei im Raum installiert und leiten die Betrachtenden in ungewöhnliche Positionen. Die gefilmten Performer:innen bewegen sich in dem medialen Raum, der durch den Bildausschnitt definiert wird. Die Grenze zwischen Realität und Fiktion verschwimmt.
In der Arbeit HORIZONTAL begegnen Betrachtende in Rückenlage der Performerin, die gleichwohl scheinbar auf der Monitoroberfläche liegt. Ihre Bewegungen auf der Glasscheibe machen die normalerweise unsichtbare vierte Wand des szenischen Raums physisch sichtbar. Yvon Chabrowski thematisiert somit das Verhältnis von Körper, Raum und Medium sowie die Beziehung zwischen Performer:in und Betrachter:in.
Name: Yvon Chabrowski
Wohnort: Berlin und Leipzig
Genre: Bildende Kunst
Yvon Chabrowski, geboren in Ost-Berlin, studierte Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Timm Rautert und Florian Ebner sowie Freie Kunst an der École nationale supérieur des beaux-arts Lyon. Sie absolvierte die Meisterklasse bei Peter Piller. Yvon Chabrowskis Werke wurden in zahlreichen internationalen Ausstellungen, unter anderem im Museum Arnhem (NL), im Kunstmuseum Liechtenstein (LI), im Museum Kunst der Westküste sowie im Museum für Moderne Kunst Bremen gezeigt. 2020 erschien ihr erster umfangreicher Katalog »Video as Sculpture« bei Spector Books. Yvon Chabrowski lebt und arbeitet in Berlin und Leipzig.
www.chabrowski.info
Mit »Der Veranstalter« erarbeitet Jakob Stark ein Filmprojekt, das an den Grenzen und Berührungspunkten von Fiktion und Dokumentarischem spielt. Im Mittelpunkt des Films steht Robert R. in seinen vielfältigen Rollen als Aktivist, Kabarettist, Rezeptionist, Taxifahrer, Kontrabassspieler und wichtiger Freund des Filmers.
Stark begleitet R. auf seinen Wegen, auf denen sich die Inszenierung mit dem wirklichen Leben vermischt. So ist R. auch im wirklichen Leben der Anmelder einer großen linken Demonstration in Berlin. Eine fiktionale Widerstandsbewegung stellte das Filmteam in einem tiefen Wald in Zusammenspiel mit bedrohten Bäumen nach. Stark montiert Interviews über eine verlorene Liebe, das Element Feuer, Bullen und Schweine. Schließlich erklärt er Solidarität mit festgenommenen Rotbuchen. Die Filmstills porträtieren den Aktivisten als Widerständigen in künstlerisch verfremdeten Perspektiven. In den Filmstills werden die Schreie stumm, was besonders die Unterwasseraufnahme betont.
Name: Jakob Stark
Geburtsjahr: 1982
Wohnort: Klein Warin/Mecklenburg und Berlin
Genre: Film
Der gebürtige Rostocker Jakob Stark ist Bildgestalter. Er studierte Kamera für künstlerischen Dokumentarfilm an der Filmschule Zelig, in Bozen / Norditalien. Sein Diplomfilm »Guanape Sur« gewann zahlreiche Preise auf internationalen Festivals. Dreharbeiten führten ihn von der Wüste bis in die Arktis, von 600 m unter Tage bis auf Gipfel über 6000 m.
Mit Christin Berg gründete er 2018 Fire on Air, ein Label für Kunst- und Experimentalfilm.
Kontakt: www.jakobstark.com
Die bildende Künstlerin entwickelt ihre Arbeiten an der Grenze zwischen Skulptur und Klang. Für das Projekt “wind” werden, seit 2010 an verschiedenen Orten gesammelte, Windgeräusche in musikalischen Arrangements und räumlichen Kompositionen zusammengebracht.
Im Rahmen des Atelierstipendiums der Hansestadt Rostock hat Schimkat Windharfen entwickelt, die sie an verschiedenen Orten der Stadt platzierte, um die Geräusche in und um sie herum aufnehmen zu können. Diese Geräusche waren am Dienstag den 04.12.2018, zusammen mit ihrem Archiv der Windgeräusche, in einer konzertanten Raumkomposition in der Hochschule für Musik und Theater/Rostock zu erleben.
Name: Anna Schimkat
Geburtsdatum: 1974
Wohnort: Leipzig
Genres: Bildende Kunst, Installation, Klangkunst
Anna Schimkat studierte nach einer Holzbildhauerlehre bis 2004 an der Bauhaus Universität in Weimar Freie Kunst. 2011 schloss sie ihren Meisterschüler an der Hochschule für bildende Künste Dresden in der Klasse für Bildhauerei und architekturbezogene Medien ab. Seit 2006 lebt sie in Leipzig.
»Zuweilen wirkt das Kunstschaffen wie ein diktatorischer Akt der Alleinbestimmung. Dabei sind Entstehung und Rezeption aus Kontexten permanenter Intervention nicht loszulösen.
Wir beide begreifen Kunst als Möglichkeit, Gesellschaft von nicht-alltäglichen Blickpunkten zu sehen. Dafür nutzen wir die Begegnungen zwischen Werk und Rezipient ebenso wie den Austausch mit dem Ort und den dort agierenden/involvierten Menschen. Wenn der Arbeit eine Diskussion zugrunde liegt, kann eine Autorenschaft nicht mehr eindeutig zuordenbar bleiben. Durch unseren kollaborativen Prozess wird dies noch verstärkt.«
Name: Ramona Seyfarth und Rico.
Wohnort: Neubrandenburg
Genre: Freie Kunst
Nach 12 Jahren gemeinsamen Schaffens und Ausstellens haben sich Rico. und Ramona Seyfarth im Mai 2017 zum Künstlerkollektiv Prinzip:Sonja zusammengeschlossen. Aus Zusammenspiel und gegenseitiger Einflussnahme wurde ein dritter Komplex: 2014 »Ohne Titel – eine Kollaboration zum Thema Monokulturen« zur 10. Langen Nacht der Künste in Neustrelitz, 2015 »sich die Freiheit nehmen« zu »Art der Provinz« in Dargun, 2017 »Happening in 4 Akten« zur »Langen Nacht der Kunst« im Kulturquartier Neustrelitz, 2018 »Der Himmel auf Erden und das Ende der Welt« zur Ausstellung »Luftlinien« in Ahrenshoop, 2018 Aufenthaltsstipendium des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Schleswig-Holstein-Haus Rostock
Die Beziehungen zwischen öffentlichem Raum, Landschaft, Tourismus und Architektur sind zentrale Themen in Andrea Bönings Arbeit. Sie arbeitet mit Fotografie, Installationen und Interventionen im öffentlichen Raum. Unter dem übergreifenden Titel „The tourist´s work“ richtet die Künstlerin den Fokus auf Phänomene des Tourismus und versteht sie als Ausdruck von gesellschaftlicher Wahrnehmung, politischen Veränderungen und einer globalisierten Ökonomie. Ihre Arbeiten sind konzeptuell, irritierend oder hypothetisch.
Im Rahmen eines Aufenthaltsstipendiums der Hanse- und Universitätsstadt Rostock beschäftigt sich die Künstlerin fotografisch mit dem maritimen Tourismus.
Name: Andrea Böning
Geburtsdatum: 1967
Wohnort: Berlin und Michendorf, Brandenburg
Genres: Installation, Fotografie, Kunst im öffentlichen Raum
Andrea Böning ist in Winterthur/Schweiz geboren und ist dort, als auch in Norddeutschland aufgewachsen. Sie studierte 1989-97 Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, an der Staatl. Kunstakademie Stuttgart und an der Ecole Supérieur des Beaux Arts in Nîmes, Frankreich. Sie war Meisterschülerin bei Prof. Dörte Eißfeldt an der HBK Braunschweig und sie erhielt das DAAD-Jahresstipendium für die Niederlanden, Amsterdam. Andrea Böning kuratierte Projekte zum Thema Tourismus und Stadtraumentwicklung u.a. »Village Resort Brandenburg?« in Beelitz und sie realisiert Kunst am Bau Projekte, z.B. »Looking Back« an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. Sie lebt und arbeitet seit 2000 in Berlin und in Michendorf, Brandenburg.
In ihrem Projekt Scrolling untersucht Maika Saworski verschiedene Möglichkeiten (sich) ein Bild von einem Ort zu machen. Dabei bedient sie sich digitaler wie analoger Zugänge. Ausgangspunkt ist eine Auseinandersetzung mit der Vicke-Schorler-Rolle, einer 18 Meter langen hybriden Stadtansicht von Rostock aus dem 16. Jahrhundert. In ihrem Arbeitsprozess streift Saworski zunächst im Internet durch Rostock, dann durch die tatsächliche Stadt. Dabei liest sie Fundstücke auf und fertigt Zeichnungen beziehungsweise Screenshots an, mit denen sie im Atelier sowohl am Computer als auch auf der Leinwand weiterarbeitet.
Name: Maika Saworski
Geburtsjahr: 1985
Wohnort: lebt und arbeitet in Berlin
Genres: Malerei, Zeichnung, Installation
Maika Saworski studierte ab 2008 Bildende Kunst bei Pia Fries und Mark Lammert an der Universität der Künste Berlin. Sie schloss 2014 bei Prof. Mark Lammert als Meisterschülerin ab. 2011 bis 2012 studierte sie zudem an der Ecole Supérieure des Beaux-Arts de Marseille. Maika Saworski erhielt Stipendien der Europäischen Kulturstiftung, des DFJW und nutzte das Promos-Stipendium des DAAD für Studien von Miniaturmalerei in Istanbul. 2014 bekam sie den Helmut-Thoma-Preis für Malerei verliehen.
Mergirl (I have to change) ist ein künstlerischer Animationsfilm, der inspiriert ist von den Geschichten über Meermänner und Meerfrauen. Der fünf Minuten lange Film wird mit schwarzer Tinte auf Papier realisiert.
Die Geschichte handelt von einer Meerfrau, die ihre Andersartigkeit entdeckt: Eines Tages fallen Gegenstände wie Möbel, Kleidung, Schmuck und andere menschliche Alltagsgegenstände ins Meer und sinken auf den Grund. Die Meerfrau entdeckt anfangs spielerisch die fremden Gegenstände. Besonderen Gefallen findet sie an Kleidung und Schmuck. Bei dem Versuch, eine Jeans anzuziehen, erschreckt sie und versteht, dass sie anders ist. Immer neue menschliche Dinge fallen ins Meer und sammeln sich auf dem Meeresgrund. Ihre Welt verändert sich. Die Meerfrau passt sich dieser neuen Welt an und teilt ihre Flosse in zwei.
Name: Gitte Hellwig
Geburtsjahr: 1985
Wohnort: Berlin
Genres: Video, Film
Gitte Hellwig hat Medien- und Kulturwissenschaften in Berlin und Animation an der Filmuniversität in Potsdam-Babelsberg studiert.
Nach ersten dokumentarischen Arbeiten folgen viele Experimente mit den Möglichkeiten des Animationsfilm. Ihre bisherigen Arbeiten sind künstlerische Animationsfilme und Mischformen aus Realbild, Animation und Fotografie. Ihr Fokus liegt auf dem filmischen Erzählen. Ihre Filme repräsentieren verschiedenste analoge und digitale Animationstechniken.
Neben ihren eigenen Projekten arbeitet Gitte Hellwig auch für Film und Fernsehen sowie als Kuratorin und Moderatorin für Filmfestivals und im Bereich Filmbildung. Ihre Filme laufen auf zahlreichen Festivals. Sie lebt und arbeitet in Berlin und in Brandenburg.
Kontakt: gitte.hellwig(at)posteo.de
Filme von Gitte Hellwig auf Vimeo
»ZOMBIELAND« spielt in der Landschaft eines Tagebaus, einem großen, schwarzen Loch. Dort, wo einst Auwälder und das Haus ihrer Vorväter und Familie standen, haust jetzt ein Großvater gemeinsam mit seinem Enkel in einem alten Werkzeugwagon. Der Großvater, Abraham Böhme, auf der Suche nach einer verschwundenen Landschaft, die ein Teil seines Lebens ist, ein Teil dessen, was sich Identität nennt. Der Enkel, Jacob Böhme, auf der Suche nach der Welt seiner Kindheit (einer Welt, die sein Vater als Baggerfahrer mit abgetragen hat), auf der Suche nach sich selbst. Als Gregor Richter (CEO der Holzweg AG) zusammen mit Josef Goldman (CEO der Gold Investment Bank) zur Wolfsjagd im Tagebau auftauchen, überwältig Jacob die beiden in Notwehr und setzt sie gefangen. Die Frage, was mit den Gefangenen nun geschehen soll, wird für den Großvater und seinen Enkel unversehens zu einer Frage auf Leben und Tod...
Name: Kai Grehn
Geburtsjahr: 1969
Wohnort: Berlin
Genre: Literatur
Kai Grehn arbeitete als Postzusteller und redaktioneller Mitarbeiter. Anschließend Studium der Theaterregie an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch«. Er lebt als Autor und Regisseur in Berlin. Zu seinen Veröffentlichungen gehören neben den beiden Prosabänden »SCHWARZ. Reiseskizzen« und »FUNKEN oder: So glücklich wie wir ist kein Mensch unter der Sonne«, Theaterstücke, Übersetzungen von William Blake, William S. Burroughs, Nick Cave, Walt Whitman und Antoine de Saint-Exupéry, sowie über 50 Hörspielarbeiten, für die er u. a. den Deutschen Hörbuchpreis und den Prix Marulić Spezialpreis erhielt. 2016 wurde er mit dem erstmals vergebenen Literaturpreis Mecklenburg-Vorpommern ausgezeichnet.
RICHTER (Entdeckt Abraham und Jacob.) Holy DAX, was ist das? Josef, sieh dir das an: zwei Wilderer, die uns unseren Wolf streitig machen wollen.
JACOB Warum glauben sie, dass dieser Wolf ihnen gehört?
RICHTER: Weil ich die Ländereien besitze, auf denen ihr steht. Ich habe sie gekauft. Privatbesitz. My own private country. Soweit das Auge reicht. Das Land gehört mir. Und die Wölfe, die sich hierher verirren, auch.
JACOB Gibt es deshalb hier kaum noch Wölfe, weil sie dieses Land in Besitz genommen haben?
GOLDMAN (Schießt auf die Silberpappel.) Das Land und die Bäume.
RICHTER (Lacht und schießt ebenfalls.) Sofern wir sie nicht schon gerodet haben.
GOLDMAN (Schießt zwischen die Beine von Jacob und Abraham.) Und jedes einzelne Sandkorn auf dem ihr steht und unter dem Sand die fette braune Kohle.
RICHTER (Lacht und schießt.) Sofern wir sie nicht dem Boden schon entrissen haben.
Mein als Langzeitprojekt angelegtes Vorhaben sieht eine literarische Kartografierung des Alltäglichen im öffentlichen Raum vor. Miniaturen, die mit einem Zeit- und Ortsstempel versehen sind, geben punktuell Einblick in das Leben der jeweiligen Stadt. Dabei verstehe ich mich als teilnehmende Beobachterin des urbanen Lebens unter Berücksichtigung der literarisch-journalistischen Tradition des Flaneurtums. Meine Fragestellungen lauten: Welchen Einfluss haben (kulturhistorische) Orte auf den Alltag? Welche Stimmungen transportieren Städte? Aus welchen Gründen? Und: Was machen sie mit einem? Mein Textarchiv besteht neben Aufzeichnungen aus Rostock derzeit auch aus Beobachtungen aus dem Ruhrgebiet, Hannover und Kiel.
Name: Melanie Huber
Geburtsjahr: 1988
Wohnort: Berlin
Genre: Literatur
Melanie Huber, geboren in Saarbrücken, studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Uni Hildesheim sowie Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Leibniz-Uni Hannover. Studienaufenthalt in Amiens, Frankreich. Ehemalige Assistentin der Berliner Autorin Annett Gröschner. Literaturstipendiatin des Landes NRW. Lebte zwei Jahre in Kiel, arbeitet in Berlin.
»leninisstillaround.com« ist auf einem Sticker zu lesen, der an einer alten Sicherheitstür klebt. Die Tür befindet sich im Sockel einer 20 Meter hohen Bronzeskulptur, es ist die größte der Stadt. Die Stufen zum Denkmal für die revolutionären Matrosen sind aufgesprungen, Graffiti und Gestrüpp dominieren das Areal. Bauzäune stehen verloren auf dem Platz, die Sonne macht das Relief stumpf und die Glasscherben zwischen den unebenen Bodenplatten zu kleinen Schätzen. Auf der Warnow treiben Schwäne und Dosenbier, an der Promenade zur ehemaligen Neptunwerft studieren zwei ähnlich aussehende Mädchen Tanzschritte ein. Hinter ihnen verstellen Neubauten kubenhaft den Blick zum Meer, Baukräne stehen still. In einem Artikel über die Sanierung des Denkmals habe ich gelesen, dass eine Leiter und das Originalgerüst im Inneren der Skulptur gefunden worden seien. Seit der Installation müssen sie dort gestanden haben, seit 1977. Ich besteige das Denkmal, stelle mich neben das aufgetürmte Gestein und die nackten Männer, die noch immer Geschichte zelebrieren sollen; von hinten sieht es aus, als ob der runde Po des einen Matrosen von den Trümmern unweigerlich nach vorne geschoben werden würde. Ich mag die Form seiner Oberschenkel, und auch seine nach hinten gestreckte Hand. Autos rasen am brachliegenden Denkmal vorbei, der Wind kommt vom Wasser, auf dem Dach des Spielcasinos gegenüber sitzt ein gold glänzender Terminator.
14:59 Uhr
Rostock, Kabutzenhof
Holger Pohl befasst sich in seinen künstlerischen Arbeiten mit verschiedenen Sportarten, ihren Formgestaltungen und dem Leistungsgedanken.
Name: Holger Pohl
Geburtsjahr: 1977
Wohnort: Berlin
Genres: Installation, Video
Holger Pohl wurde 1977 in Rostock geboren. Er studierte von 1999 bis 2005 Bildende Kunst an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Seit 2009 lebt und arbeitet er in Berlin.
Entwicklung eines Langfilms aus dem Kurzfilmprojekt "Betonfraß".
Name: Karsten Kranzusch
Geburtsjahr: 1974
Wohnort: lebt und arbeitet in Berlin
Genre: Film
Karsten Kranzusch ist Mitglied des Filmemacher-Netzwerks »Rostocker Schule«. Sein Film »Betonfraß« wurde 2015 ausgezeichnet mit dem Publikumspreis »Goldener Reiter« beim 27. Internationalen Kurzfilmfestival in Dresden.
Katrin Graalmann beschäftigt sich in Zeichnungen und Radierungen mit der Nachkriegsarchitektur. Während ihres Stipendiumaufenthalts fertigte die Hamburgerin Zeichnungen von Plattenbauten der Stadtteile Lütten Klein, Groß Klein sowie Dierkow an. Die Faszination dieser Bauformen dieser Großwohnsiedlungen ist Thema der Arbeiten.
Name: Katrin Graalmann
Geburtsjahr: 1972
Wohnort: Hamburg
Genres: Bildende Kunst, Illustration
Katrin Graalmann studierte bis 2009 Illustration im Fachbereich Design an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg.2012 schloss sie den Master of Art an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg ab. Sie war 2010 an der Gründung des Künstlerhauses Georgswerder e.V. beteiligt und ist seit 2017 Werkstattleiterin der Druckgrafischen Werkstätten der Kunsthochschule Mainz.
Mark Sternkiker arbeitet während seines Stipendiums am Drehbuch eines Langspielfilms für Kinder. „Wie man ein Monster fängt“ handelt von der Angst vor dem Fremden. Im offenen Atelier zeigt der Rostocker Filmemacher eine Auswahl seiner bisherigen Filmprojekte.
Name: Mark Sternkiker
Geburtsjahr 1977
Wohnort: Rostock
Genres: Film
Mark Sternkiker ist Rostocker Filmemacher. Eigentlich Erziehungswissenschaftler, dreht er gemeinsam mit einem Netzwerk von Regisseuren, Kameraleuten und Mitarbeitern unter dem Label »Rostocker Schule« viele Jahre unterschiedlichste Filme. Sie gehören zum festen Bestandteil der Filmszene in MV und bescherten ihm Preise auf nationalen und internationalen Festivals.
Ulrike Mundt baut Skulpturen und kinetische Objekte, die teilweise Geräusche erzeugen.
Ihre künstlerische Sprache formuliert individuelle, aber auch kollektive Erinnerungen und Codes als gegenständliche Erscheinungen. Häufig greifen ihre Arbeiten Formen gesellschaftlich determinierter Macht und Dominanz humorvoll oder ironisch auf und treiben ein sarkastisches Spiel mit Symbolen der Macht, wie etwa
Überwachungskameras, goldenen Höckerchen oder dem System von Autorität.
Su-Ran Sichling, Journalistin, Berlin 2016
Name: Ulrike Mundt
Geburtsjahr: 1976
Wohnort: Dresden
Genres: Skulptur und kinetische Objekte
Ulrike Mundt studierte Bildhauerei in Dresden.
Die Arbeiten sind seriell angefertigte Kupferobjekte die mit weiß emailliert werden und durch Oxidation ihre grüne Farbe erhalten. Sie werden bei 840 Grad im Ofen gebrannt.
Name: Takwe Kaenders
Geburtsjahr: 1963
Wohnort: Rothen, Mecklenburg
Genre: Metall, Objekt
Takwe Kaenders hat an der Burg Giebichenstein in Halle an der Saale studiert und 2001 als Diplom-Metallbildnerin abgeschlossen. 2002 war sie Mitbegründerin des Vereins Rothener Hof. Als Kuratorin realisiert sie regionale und überregionale Ausstellungen.
„DIE WIEDERGÄNGER“ ist die Fortsetzung eines im thüringischen Greiz gefeierten Abschiedsfestes (Epsiode I), das im kollektiven Selbstmord der Festgemeinde endet. DIE WIEDERGÄNGER sind eine Bande ruheloser Selbstmörderseelen, die Zeichen ihrer jenseitigen Wanderschaft in das Diesseits ihrer ehemaligen Wohnräume senden. Dem Film liegt die Idee einer Ostseereise der Selbstmörder in ein gemeinsames Leben nach dem Tod zugrunde. Das Leben vor dem Tod war für DIE WIEDERGÄNGER vom Stigma der Nutzlosigkeit, der Erwerbsunfähigkeit oder der psychischen Störung geprägt. Auf ihrer Reise werden die ehemals „Unbrauchbaren“ als alternative Gemeinschaft und als Kamerakollektiv aufgestellt, das den Auftrag hat, das gemeinsam gestaltete Leben nach dem Tod auch selbst zu dokumentieren.
Das Projekt wurde gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Filmbüro Mecklenburg-Vorpommern und die Thüringer Kulturstiftung.
Name: Susann Maria Hempel
Geburtsjahr: 1983
Wohnort: Greiz, Thüringen
Genre: Film
Susann Maria Hempel (*1983) studierte von 2001 bis 2009 Mediengestaltung an der Bauhaus-Universität Weimar. Sie lebt und arbeitet in ihrem Geburtsort Greiz, einer »skrinking city« in der thüringischen Provinz. Die prekäre und oftmals destruktive Gegenwart der Stadt ist Gegenstand ihrer Experimentalfilme.
Kontakt: s.m.hempel(at)gmx.de
Hochsommer in Schattin, einem Dorf im Norden von Mecklenburg-Vorpommern. Christin ist vor kurzem auf den Milchviehbetrieb ihres langjährigen Freundes Jan gezogen. Die Aufbruchsstimmung der Nachwendejahre ist längst dahin, doch für Jan ist der väterliche Betrieb trotz sinkender Milchpreise noch immer das Wichtigste im Leben. Christin hingegen träumt von der Großstadt und einem Job im Büro. Aber wo soll sie hin ohne Ausbildung und ohne eigenes Geld? Unüberwindbar scheinen die Hindernisse. Bis Windkrafttechniker Klaus auftaucht und Christin glaubt, endlich einen Fluchtweg gefunden zu haben.
Name: Alina Herbing
Jahrgang: 1984
Wohnort: Berlin
Genre: Literatur
Alina Herbing (*1984), wuchs in Mecklenburg auf und lebt heute in Berlin. Sie studierte Germanistik und Geschichte in Greifswald, Neuere deutschsprachige Literatur in Berlin sowie Kreatives Schreiben, Kulturjournalismus und Literarisches Schreiben in Hildesheim. 2017 erschien ihr Debütroman „Niemand ist bei den Kälbern“.
Die raumgreifenden Wandmalereien von Christine Rusche existieren meist nur für die Dauer einer Ausstellung. Jede Raum-Zeichnung wird jeweils für einen bestimmten Ort erarbeitet. Dabei bilden sichtbare wie auch unsichtbare Faktoren die Grundlage der fiktiven Raumstruktur, die ortsbezogen und zugleich eigenständig ist. Basierend auf dem Kontrast von Schwarz zu Weiß formt ihre reduzierte visuelle Sprache eine ›grafische Notation‹, die Richtungen, Perspektiven, Rhythmen und Bewegungen im Raum beschreibt. Zusammen mit der vorhandenen Architektur bildet sie eine untrennbare Einheit. In einem simultanen Prozess aus Betrachtung und Erinnerung erschließt sich die Malerei nur durch eine fortwährende Verortung zu Bild und Raum.
Arne Reimann
Name: Christine Rusche
Geburtsjahr: 1971
Wohnort: Berlin
Christine Rusche studierte von 1994 bis 2001 Malerei und Freie Grafik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Christine Rusche lebt und arbeitet in Berlin.
www.christine-rusche.de
Im Alter von sechs Jahren hatte er angefangen Frauenwäsche anzuziehen, sich in unbeaufsichtigten Momenten auszustaffieren. Im Kindergarten hatte er einmal die Garderobe durchwühlt, er konnte sich auch später noch deutlich an den Geruch der Schublade erinnern, in der er die Pelzkappe, ein Halstuch und die Handschuhe der Erzieherin gefunden und darauf uriniert hatte. Seine Eltern waren einbestellt worden und die Erzieherin zeigte ihnen den Schrank. Den Kindern musste er vormachen, wie er es getan hatte. Im Halbkreis standen sie, einander bei den Händen fassend, in der Garderobe und lachten ihn aus, ein schriller, unsicherer Chor. Als die Erwachsenen auf seine Neigung aufmerksam wurden und ihn zu bestrafen begannen, als sein Vater ihn schlug, nachdem er ihn im Schlafzimmer an den Schränken seiner Mutter gefunden hatte, setzte Dolf seine Vorliebe im Wald fort. Inzwischen eignete er sich nicht mehr nur die Leibwäsche seiner Mutter an.
Name: Carola Weider
Geburtsjahr: 1967
Wohnort: Berlin
Genre: Literatur
Carola Weider arbeitete nach einer Ausbildung in verschiedenen Krankenhäusern von Berlin, bevor sie von 2008 bis 2013 am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig studierte. Sie folgte mehrmals der Einladung des Literaturforums im Brecht-Haus Berlin zur Teilnahme an Romanwerkstätten und war Stipendiatin der Hansestadt Rostock. Ihr Debütroman „Kora“ erschien 2016. Carola Weider lebt und arbeitet in Berlin.
Kontakt: weiderc(at)web.de
Erzählt wird die Geschichte eines Elternhauses im Jahr 1975 und danach, von Wäldern, von der Jagd und Jägern: Das Leben der 18jährigen Eva Fleiß, die in einer Ortschaft zwischen Wäldern und Seen aufwächst, nimmt eine unerwartete Wendung, als sie im Internationalen Jahr der Frau dem Jäger und Förster Rudolf Mandel versprochen wird, den eine Aura des Abgründigen umgibt. Nach der Verlobung kommt es zu unaufgeklärten und – wie es scheint – voneinander unabhängigen Todesfällen in der Gegend. Dolf ist allen Frauen begegnet, bevor man sie tot aufgefunden hat, aber seine Perspektive lässt keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu. Es ist nachher nicht zu unterscheiden, welchen Anteil Wirklichkeit und Vorstellung an den Begegnungen gehabt haben. Eva glaubt zu wissen, dass etwas passiert ist, vermag der Sache aber nur durch sich selbst hindurch auf den Grund zu gehen. Entsprechend – und ebenso unzuverlässig wie Dolfs – ist ihre Sicht auf das Geschehen.
In ihrer Serie „Takes“ zeigt Hanna Lippmann in großformatigen Fotografien Menschen in verschiedenen Landschaften. Was wie die Aufnahme eines einzigen, präzise inszenierten Moments aussieht, ist komponiert aus einer Momentaufnahme mit einer Raumaufnahme. Das zusammengefügte Bild erhält eine ganz eigene Dichte und Präsenz, setzt Mensch und Landschaft in ihr je eigenes Recht.
Was die Fotografin durch ihre bearbeitenden Eingriffe weg vom Dokumentarischen und in Richtung auf eine romantische Landschaftsmalerei führt, verstärkt das in der ursprünglichen Momentaufnahme festgehaltene Erlebnis.
Urs Bugmann (Auszug)
Name: Hanna Lippmann
Geburtsjahr: 1969
Wohnort: lebt und arbeitet in Berlin
Genre: Fotografie
Hanna Lippmann (*1969) studierte von 1997 bis 2003 an der Universität der Künste in Berlin. Neben seriellen Fotografien entwickelt sie Installationen, Objekte und Videoarbeiten.
(fortgesetzte Fotoserie, seit 2016)
Nach sechs Jahrzehnten unter verschiedenen Namen, Eigentümern und politischen Systemen schloss die Stettiner Werft im Jahr 2009. Jeden Mittwoch treffen sich einige der ehemaligen Werftarbeiter und -arbeiterinnen im Haus der Gewerkschaft. Die Interviews mit ihnen bilden die Grundlage für eine fotografische Arbeit, die untersucht, welche Bedeutung die Arbeit für das Selbstverständnis der Menschen hatte und wie die Werft das Selbstbild der Stadt Stettin prägte.
Stipendiatin der Hansestadt Rostock als Gastkünstlerin der Stadt Stettin und der Kunstakademie Stettin.
Name: Katharina Fricke
Geburtsjahr: 1982
Wohnort: Rostock
Genre: Fotografie
Katharina Fricke studierte zwischen 2007 und 2014 Fotografie und Medien an der Fachhochschule Bielefeld. Seit 2015 lebt und arbeitet sie in Rostock.
Mein Mann arbeitete auch auf der Werft. Wir bekamen eine gemeinsame Wohnung. Die war so schön. Wir waren glücklich.
Der Klang der Maschinen war schrecklich laut. Nach der Arbeit hatte ich Kopfschmerzen.
Małgorzata Michałowska führt kontinuierlich eine Serie von Video-Performances mit dem Titel »Everyday Performance« durch. Damit katalogisiert und analysiert sie die Arbeit von Performance Künstlern. Sie steigt tief in die Tradtion der Performance Kunst ein und benutzt die Symboliken, Dinge und Narrative, die diese Kunstform seit ihrem Beginn in den 1960er Jahren bis heute gegprägt haben. Bestimmte Aktionen, Posen, Gesten und Objekte werden ausgewählt, wodurch Michałowska diese Traditionen in eine kontinuierliche Aufgabe umwandelt. Häufig erkundet sie dabei die Rolle des weiblichen Körpers und den Einfluss ihrer katholischen Erziehung auf das zeitgenössischen Konzept von Performance Kunst.
Im Schleswig-Holstein-Haus Rostock war Małgorzata Michałowska als Gaststipendiatin der Stadt Stettin und der Kunstakademie Stettin.
Name: Małgorzata Michałowska
Geburtsjahr / born in: 1990
Wohnort / lives in: Szcecin, Polen
Genres: Medien, Performance
Małgorzata Michałowska studierte Design an der Pommerschen Technischen Universität Szcecin und Neue Medien an der Kunstakademie von Szcecin, wo sie als beste Studentin der Fakultät für Malerei und Medien 2015 graduierte. Sie unterrichtete an der Fakultät von 2015 bis 2017. Inzwischen leitet sie das Haus der Kultur in Kamień Pomorski.
Małgorzata Michałowska studied Design at the West Pomeranian Technical University Szczecin and New Media at the Art Academy of Szczecin, where she graduated as the best student of the Faculty of Painting and New Media in 2015. She taught at the faculty from 2015 until 2017. By now, she is the head of the House of Culture in Kamień Pomorski.
»Everyday Performance« refers to both, the regularity of the project and the actions and gestures inscribed in everyday life. But Małgorzata Michałowska does not create a record of common daily actions, but catalogues and analyzes the daily work of a performance artist instead. Highly aware of the traditions of performance art, Małgorzata Michałowska makes use of the symbolism, items and narratives that have shaped this art form from its birth in the 1960s until today. Choosing specific actions, poses, gestures and objects, she transforms those traditions into a continuous exercise, often exploring the role of her female body and the impact or her catholic education for a contemporary concept of performance art.
Die Porträtserie zeigt Handwerker und Handwerkerinnen in Mecklenburg-Vorpommern, die ihre Arbeit bis heute auf vorwiegend traditionelle Weise ausüben. Oftmals sind sie in kleinen Familienbetrieben tätig, die bereits seit Generationen bestehen.
Bereits seit 1891 gibt es die Räucherei in Freest. In klassischen Altonaer Öfen räuchern Joachim Thurow in vierter Generation und Dietmar Lindemann hier Fisch.
Am Petridamm in Rostock mahlt Müller Michael Knull in dritter Generation in der alten Mühle. Ob diese nach ihm jemand weiterführt, ist ungewiss.
Wilfried Fischer ist Schmiedemeister in vierter Generation. Seine Schmiede in Klein Schwaß besteht seit 1896.
Name: Mareike Timm
Geurtsjahr: 1986
Wohnort: lebt und arbeitet in Rostock und Göteborg
Genre: Fotografie
Mareike Timm studierte von 2009 bis 2010 an der Hochschule für Fotografie in Göteborg, bevor sie sich von 2011 bis 2014 an der Nordens Fotoskola Biskops-Arnö in Schweden zur Dokumentarfotografin ausbilden ließ. Seitdem arbeitet sie vorwiegend an umfangreichen Projekten im Feld der künstlerischen und dokumentarischen Fotografie. Oft thematisieren ihre Arbeiten Erscheinungen und Dinge, die vom Verschwinden bedroht sind.
Martha Damus befasst sich mit den Möglichkeiten der bewegten und unbewegten Zeichnung, darunter traditionelle Techniken auf Papier, Klebestreifenzeichnungen auf Mauern oder Straßen und digital animierte Bleistiftzeichnungen. Ihre Zeichnungen sind also oft "im Raum" oder werden Teil von Rauminstallationen. Seit dem Umbau eines DDR-Wohnanhängers zum mobilen Kunstraum „black egg“ (2012–2017 mit Marcus Oesterreich) baut sie auch ausrangierte Wohnwagen in ihre Installationen ein.
Name: Martha Damus
Geburtsjahr: 1986
Wohnort: lebt und arbeitet in Rostock und Brandenburg
Genre: Installation, Objekte, Zeichnung
Martha Damus studierte Bildende Kunst und Kommunikationswissenschaft in Greifswald und Riga (Lettland) sowie Digitale Medien in Bremen/Bremerhaven.
Angelika Wanieks künstlerisches Arbeiten bewegt sich zwischen Erzählung und Bild. Mit minimalen Eingriffen rahmt sie das Gegenwärtige. Sie greift bestehende Narrative auf, analysiert diese und erzählt sie weiter. In der waniekschen Storytelling-Manier vergisst man fast, dass im Moment der Erzählung auch immer das mitschwingt, was nicht erzählt wird und somit nicht Gegenstand unseres Denkens werden kann.
Name: Angelika Waniek
Geburtsjahr: 1975
Wohnort: lebt und arbeitet in Leipzig
Genre: Performance
Angelika Waniek studierte bis 2006 Bildende Kunst an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel und bis 2010 Medienkunst an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig.
Kontakt: info(a)simplepresent.de
»In meiner Vorstellung ist ein Kreis ein vollkommenes, aber auch ein sehr langweiliges Konstrukt. Die Idee, einen perfekten Kreis zeichnen zu wollen, ist schon in Gedanken zum Scheitern verurteilt. Die Natur nachzuahmen ist ein ähnliches Unterfangen, deshalb suche ich einen Weg, der das Chaos willkommen heißt, die Naturgesetze verwirrt und die Schwerkraft außer Kraft setzt. Prothese und Orthese – eine flüchtige Begegnung.«
Name: Nándor Angstenberger
Geburtsjahr: 1970
Wohnort: Berlin
Genres: Installation, Skulptur
Nándor Angstenberger studierte ab 1992 an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg bei Ursula Reuter-Christiansen und Henning Christiansen, Gerhard Rühm, Dietrich Helms und Bogomir Ecker und 1998 sein Diplom mit Auszeichnung ab. Im Jahr 2000 folgte ein Aufbaustudium an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg. Er lebt und arbeitet in Berlin.
Alle Räder stehen still
und der Himmel ist schwalbenbeflaggt
oder sinds auf und zu klappende Fäuste
dicht über unseren Köpfen hoch oben
der vereiste Amboss
Name: Bertram Reinecke
Geburtsjahr: 1974
Wohnort: Leipzig
Genre: Literatur
Bertram Reinecke wuchs in Mecklenburg auf und lebt seit 2000 in Leipzig. Nach dem Diplom am Deutschen Literaturinstitut Leipzig organisierte er Lesereihen und Festivals und war als Kunst- Sprach- und Literaturkritiker für verschiedene Zeitschriften tätig.
In den Jahren 2006 bis 2009 entstanden verschiedene Hörkunstprojekte die unter anderem in der Galerie für zeitgenössische Kunst Leipzig und beim Stallarte Festival in Rohringen ihre Uraufführung erlebten. 2009 gründete er den Verlag Reinecke & Voß. Er war mehrmals Gastprofessor am deutschen Literaturinstitut, außerdem „Poet in Residence“ in Dresden und Stipendiat des Freistaates Sachsen sowie der Hansestadt Rostock.
Name: Ulrike Steinke
Geburtsjahr: 1975
Wohnort: Leipzig und München
Genre: Illustration
Die Künstlerin und Illustratorin Ulrike Steinke, geboren in einem kleinen Dorf in Mecklenburg, lebt in München und Leipzig. Sie studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig.
Als Künstlerhistoriker zeigt Fabian Reimann in seinen Raumessays, narrativen Installationen und Publikationen außerordentlich aufwendige Arbeiten zur jüngeren Zeitgeschichte. Er analysiert, reflektiert, hinterfragt und ordnet die fiktiven und nonfiktiven Entwürfe von Geschichte in unterschiedlichsten Medien.
Fabian Reimann stellt sich der Frage, inwieweit ein wahres, ein schlüssiges Bild der Vergangenheit existiert. So entwickelte er beispielsweise aus den Geschichten verschiedenster Personen der Epoche des Kalten Krieges signifikante Arbeiten zu Spionage und Technikutopien im 20. Jahrhundert und untersuchte deren Verhältnis zur Gegenwart.
Name: Fabian Reimann
Geburtsjahr: 1975
Wohnort: lebt und arbeitete in Leipzig
Genre: Raumessay, Installation
Fabian Reimann, studierte Bildende Kunst, Grafik-Design, Kultur- und Kunstwissenschaften sowie Germanistik in Bremen, Leipzig und Wien. Als Künstler, Autor, Herausgeber und Kurator ist er Mitglied bzw. Mitinitiator des Literaturmagazins Krachkultur (1993-2013), der Produzentengalerie AMERIKA (Berlin, 2005-2007), des Projekts Kaufhaus Joske (seit 2008) und des Projekts future is a foreign tense (seit 2016).
Text und Soundcollage
Tanztee – her damit! ist eine textliche und musikalische Fiktion über das Konzept der Städtepartnerschaften. Der Text lässt fiktive Personen aus den Partnerstädten Rostocks zu einem fantastischen internationalen „Tanztee“ zusammentreffen. Den passenden musikalischen Rahmen für das rauschende Fest schafft eine Collage von Musikstücken, Liedern und Geräuschen.
"Ein gewaltiges funkelndes und blendendes Etwas, einen mehrstöckigen Klumpen aus Schnee und Eis haben sie da hingeworfen, die Kinder Göteborgs, welcher die Herberge für den diesjährigen wilden und archaischen „Tanztee“ der Städte ist und sonnenbeschienen strahlt dieses Ding aus kaltem Rohstoff in unendlich vielen Farben, in Kreisen, Bögen, Säulen und Flecken, und Valdemareichen aus Guldborgsund, die das riesige illuminierende Iglu umgeben, bedacht und gepflegt, Schatten spenden und einen Sichtschutz vor der Strahlkraft des Kristalls bilden, flankiert von Legosteinabbildern von Pinguinen – niemand weiß warum, aber es sieht gut aus ... "
Name: Hans Narva
Geburtsjahr: 1967
Genres: Musik, Performance, Medien- und Sounddesign
Hans Narva sorgte erstmals 1989 mit seiner Band Herbst in Peking und dem Indie-Hit Bakschischrepublik für Aufsehen.
Hans Narva ist technischer Leiter der Usedomer Literaturtage sowie des Usedomer Musikfestivals. Darüber hinaus gibt er musikalische Workshops für Kinder und Jugendliche und ist Gründungsmitglied des Projektes lanterna futuri. Er gehört zum Performencekollektiv tha new big bang, das sich der Frage »Wie wollen wir leben – am besten gar nicht?!« verschrieben hat. Musikalisch schaukelt er mit der Band when the hands point up – the excitement starts! über das schöne Meer der Melancholie. Mit der Gewissheit, dass es ist nicht schlimm ist, falls man nie wieder glücklich wird, lächelt und winkt er der untergehenden Sonne.
Als golden bangla arbeitet Narva an einer Verbindung traditioneller indischer Tänze und elektronischer Musik.
The Bay besteht aus 80 Diapositiven von malerischen Zeichnungen, die ein Karousel-Projektor in Abfolge an eine Wand projiziert. Dabei entwickelt sich eine filmartige Reihe von Bildern. Jede neue Zeichnung fügt der letzten etwas hinzu oder lässt Fragmente daraus verschwinden. Der ständige Auf- und Abbau von Formen simuliert eine nicht anhaltende Zeit; das Überschreiben und Löschen von Bildteilen vermittelt den Lauf der Dinge. Die Arbeit fokussiert den Übergang zwischen dem Einzelbild und dem Eindruck einer Erzählung, der sich durch die zeitliche Entfaltung der Bilder vermittelt. So entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen abstrakten Formen und gegenständlichen Assoziationen. Einen konkreten Bezug zur Welt schafft ein handgeschriebener Text, der die Projektion ergänzt.
Name: Ellen Möckel
Geburtsjahr: 1984
Wohnort: lebt und arbeitet in Berlin
Genre: Malerei
Ellen Möckel studierte von 2006 bis 2013 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Seit einem achtmonatigen Aufenthalt in den graphischen Werkstätten von Niels Borch Jensen in Kopenhagen liegt ihr künstlerischer Schwerpunkt im Bereich der Druckgrafik und der malerischen Zeichnung.
Der Schriftsteller Wolfgang Koeppen war nicht nur Romancier und Reisebuchautor, er arbeitete auch für den Film. Während Koeppen sich in der NS-Zeit beim Film nach Selbstaussage nur unterstellte und als Bearbeiter literarischer Stoffe eingesetzt war – nur ein Stoff, der durch seine Hände ging, wurde tatsächlich verfilmt –, wollte er in der Nachkriegszeit mit einem Originaldrehbuch für den neuen deutschen Film reüssieren. Die folgenden Notizen entstanden im Zuge der Arbeit an meinem Hörspiel Bei Betty, das vom Schweizer Rundfunk (SRF) 2015 urgesendet wurde und das die Zeit im Leben Koeppens vom Ende des Dritten Reichs bis zur Währungsreform erzählt.
Abdruck unter anderem in: Risse. Zeitschrift für Literatur in Mecklenburg-Vorpommern, Heft 33, 2014.
Name: Jan Decker
Geburtsjahr: 1977
Wohnort: Osnabrück
Genre: Literatur, Hörspiel
Jan Decker lebt und arbeitet als Schriftsteller in Osnabrück. Er studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Für ARD, Deutschlandradio und SRF schrieb er mehr als 20 Hörspiele und Features. Daneben verfasste er zahlreiche Bücher, Theaterstücke, Libretti, Erzählungen, Essays, Gedichte und Artikel. Sein Werk wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Literaturpreis Prenzlauer Berg und dem Johann-Gottfried-Seume-Literaturpreis. Jan Decker unterrichtete an mehreren Universitäten, unter anderem an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und der Universität Osnabrück. Er ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland.
Jan Decker
Wolfgang Koeppen revisited
1
Traurige Jugendzeit in Greifswald. Er spielt dort in der berühmten Klosterruine, die Friedrich einst malte, eine winzige Rolle in einem Hofmansthal (Sommertheater). Er haut aus seinem Engagement als Schauspieler aus Wismar ab, und geht zu Julius Bab nach Berlin, um Theaterwissenschaft zu hören. Verdient sein Geld bei der Glühbirnenfirma Osram. Muss morgens sehr früh da sein und im Glühlampen-Testsaal, wo 1000 Glühlampen brennen Tag und Nacht, aufpassen. Wenn eine Glühlampe ausgeht, muss er sie ausschrauben, eine neue einschrauben, und den Vorgang in einer Liste festhalten. Besucht eifrig die Berliner Theater, und sieht alle wichtigen Aufführungen vom Olymp, dem vierten Rang, aus.
2
Auf Einladung einer Filmgesellschaft 1933 mit Siegfried Kracauer auf der Greifswalder Oie. Fahren zusammen in einem Schlafwagenabteil nach Greifswald. Bei der Rückfahrt von der Filmbesichtigung steigt er in Greifswald aus, und mietet sich aus Spaß im Nordischen Hof ein Zimmer. Stellung zum Umfeld der nationalsozialistischen Ideologie. Diskrepanz zwischen Erlebtem und Erfundenem durch Existenz einer Metaebene, die sich durch gegenseitige Konstituierungen konkretisiert. Es geht ausschließlich um Konditionierungen. Immer wieder erzählte, in dieser Form unzutreffende Konstruktionen lassen seinen Weltentwurf der Einsamkeit, Unbehaustheit und Heimatlosigkeit erkennen.
3
Widenmayerstraße 45. Ehemals gepflegtes Mehrparteienhaus in einer teuren Gegend nahe der Isar. Fulminantes, etwas düsteres Marmortreppenhaus aus der Jugendstilzeit mit Fahrstuhl und dunklen, schweren Wohnungstüren. Verhältnismäßig großzügig geschnittene Wohnung voller old fashioned Bohnerwachs-Charme, ein längerer Flur. Wenigstens sechs Zimmer mit Parkett und hohen Decken. Ambiente, in dem er später einen abgebrochenen Filmentwurf spielen lässt. Im Flur ein Hutständer mit einer respektablen Auswahl an Kopfbedeckungen, darunter mehrere Exemplare seiner geliebten Schirmmützen. Turmartig gestapelte Bücher. Raum düster, dicke Vorhänge vor den Fenstern, die den herrlichen Sommertag und den schönen Blick auf das Isarufer abhalten.
4
Marion, von der man nur umrisshaft Kenntnis hat, scheint abwesend zu sein. Sie ist bereits unheilbar erkrankt. Er verbreitet den Mythos des einsamen Menschen um sich, organisiert zwischen seine zahlreichen Besucher einen Sicherheitszeitraum, damit sie sich nicht begegnen, und glauben, sie seien die einzigen, die zu ihm vordringen. Auch seine Fotoscheu und gleichzeitige Fotografierwilligkeit sind sprichwörtlich. Es ist nicht leicht, sich mit ihm über einen Zeitpunkt zu einigen. Nach mehreren Versuchen gelingt es doch. Sein Blick drückt Unbehagen aus, als komme ihm der verabredete Besuch nicht gelegen. Sein Schweigen ist die Botschaft. Hochsommer. Deutscher Prädikatswein. Raucherlaubnis. Nach halbstündigem einvernehmlichen Schweigen: „Können Sie mir helfen, nein, Sie können mir nicht helfen.“
5
Spielt gelegentlich eher kokett mit der Idee des Reißwolfs. In Wahrheit ist er ein Mensch, der nicht das Mindeste wegwerfen kann. Unter anderem hat er sich mit derart vielen abgefahrenen Münchener Straßenbahntickets zugemüllt, dass mehrere Plastiksäcke voll zu entsorgen sind. Faszinierende Atmosphäre der Ordnung/Unordnung eines Künstlers. Berichtet nach Besuch: „Die Vorgänge waren wohl ein Traum, teils von Kafka, teils von mir. Ich habe mich ins Bett gelegt und versuche, wieder aufzustehen.“
6
Schreibt Bei Betty mit Durchschüssen aus der Wirklichkeit. Marion ist halb Elisabeth Halben, halb nicht, weil Marion trinkt wie Emilia, und eine Rolle für Manon, die bessere Marion. Eric Pleskow, bei dem er vorstellig wird, um eine Anstellung beim Film zu finden, ist der alliierte Kunstoffizier. Er kennt Koeppens Romane. Direktor Bögemann ist Helmut Käutner. Neck ist Siegfried Kracauer. Die Reihe setzt sich munter fort.
7
Schreibt Brief: "Lieber Herr Thomsen, ich bitte Sie um Entschuldigung für die verspätete Antwort auf Ihren Brief. Ich war krank, bin krank und zu allen Verstimmungen habe ich einen Wasserschaden in meiner Wohnung. In dem entstandenen Chaos war Ihr Schreiben untergegangen.“ Schreibt in Thomsens Gästebuch: „Nicht mehr mitspielen / nicht mitmachen, / den Pakt nicht / unterschreiben.“ Er ist verliebt in das Misslingen, muss sich beweisen: Im Leben läuft alles immer wieder furchtbar schief.
[...]
Im Mittelpunkt der Installation cis steht die Projektion eines Videos, das ein vorbei gleitendes Meer zeigt, aufgenommen aus einem Bullauge eines großen Schiffs. Die Bewegung des Wassers scheint dabei dem Klang und Rhythmus einer Musik zu folgen, die zum Video eingespielt wird. Der das Tongeschlecht bestimmende Laut des Musikstücks ist der Halbton cis.
Vor der Videoprojektion hängen große Röhrenglocken. Zusammen bilden sie die Reihe einer Tonleiter. Zwischen den ruhenden Klangkörpern schwirren Vögel durch den Raum. Ihr helles Zwitschern vermittelt sich als Gegenpol zur assoziierten Resonanztiefe der Glocken und ihr turbulentes Umherschwärmen als Widerspruch zur kontinuierlichen Bewegung des Schiffskörpers, dessen Masse sich anhand seines Wellenbildes auf dem Video vermittelt.
Zur Ausstellung von Elmar Hess »Einen Frieden später« in der Rostocker Kunsthalle: www.kunsthallerostock.de
Name: Elmar Hess
Geburtsjahr: 1966
Wohnort: lebt und arbeitet in Berlin und Hamburg
Genre: Videoinstallation, Film
Elmar Hess setzt in seinen Installationen filmische, fotografische und klanginstallative Elemente konzeptionell in Bezug zu gesellschaftspolitischen Themen.Hess lebt und arbeitet in Berlin und Hamburg. Er studierte von 1989-95 Freie Kunst an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg und von 1998-2000 Film an der Universität Hamburg.
Mit seiner Arbeit war Elmar Hess auf zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland vertreten, u.a. bei German Open im Kunstmuseum Wolfsburg, Lost Paradise im Kunstraum Wien und Man Son in der Hamburger Kunsthalle. Zuletzt waren seine Installationen La Mère Perdue im Europäischen Kunstforum Berlin, Einen Frieden später in der Kunsthalle Rostock und Dear im Laznia Centre for Contemporary Art, Gdansk zu sehen. Seine filmischen Arbeiten wurden auf dem Filmfest Moskau, den Filmfestspielen in Oberhausen und dem Dokumentarfilm-Festival in Cannes gezeigt.
MarKdo [Fire and Forget] untersucht die Kleiderordnung auf einer Korvette, die im Bootgeschwader am Marinestützpunkt Rostock-Warnemünde stationiert ist. Die von der Besatzung des Kriegsschiffes getragene Uniform definiert die hierarchische Position der einzelnen Crewmitglieder. Davon ausgehend vermittelt die Arbeit ein Bild der gesellschaftlichen Ordnung auf dem Schiff, wie sie durch die Zeichensprache der Kleidung strukturiert wird. Die Installation schwebt über dem Boden und das vermeintlich feste, strenge Gefüge gerät in Bewegung.
Name: Kathrin Rabenort
Geburtsjahr: 1965
Wohnort: lebt und arbeitet in Köln
Genres: Textil, Objekte und Installationen
Kathrin Rabenort studierte bis 1997 Freie Kunst an der Kunsthochschule Kassel und von 1999 bis 2000 Fine Art im Masterprogramm Fine Art des Goldsmith College in London. Sie stellt überregional aus, hatte internationale Atelieraufenthalte in China, der Schweiz, Norwegen, Amsterdam und London sowie diverse Lehrerfahrungen an der Fachhochschule Düsseldorf, der Universität zu Köln, der Akademie Mode & Design in Düsseldorf und der Hochschule für Bildende Künste Dresden.
Passager m, ~ère f [pɑsaʒe, -ɛʀ]
1. Reisende(r) f(m), Fahrgast m
2. adj flüchtig, vergänglich, von kurzer Dauer
Die Reisestickereien wurden in einer Reisesituation entwickelt. Die Geste ähnelt Notizen in einem Reisetagebuch, die Beobachtungen festhalten, hier aber mit dem Mittel der Stickerei.
Die Letter Performance sind Fotografien, die durch Projekte in unterschiedlichen Gemeinschaften entstehen, etwa in einem Stadtviertel oder in einer Schule. Im Rahmen von Gesprächen und Workshops mit der Künstlerin formulieren die Teilnehmenden Worte, die sie anschließend vor Ort in Szene setzen.
Name: Cécile Belmont
Geburtsjahr: 1975
Wohnort: Linz, Österreich
Genre: Bildende Kunst
Cécile Belmont studierte von 1993 bis1997 Textildesign an der ESAA Duperré Paris und ging von 1998 bis 2000 bei dem Maler Tulio de Sagastizabal in Buenos-Aires, Argentinien in Lehre. Von 2014 bis 2016 studierte sie Textil- und Flächendesign an der Kunsthochschule Weißensee.
Cécile Belmont wendet verschiedene Werkzeuge und Techniken an, die sowohl Strategien der Kunst als auch des Design entlehnen – Siebdruck auf Stoff, Stickerei, Performance im öffentlichen Raum und Fotografie. Zusammen schaffen sie eine besondere Dynamik: Sie beeinflussen sich und reagieren aufeinander. Sie erlauben der Künstlerin, ihre Bilder in verschiedene Kontexte und Beziehungen zum Zuschauer zu bringen, von der Galerie auf die Straße und von der Straße in die Galerie.
Lyrik als ein Versuch, Wirklichkeit sinnlich zu durchdringen. Lyrik als (meist vergebliche) Suche nach dem einen, gültigen Wort, das dem Erleben von Innenwelt und Außenwelt gerecht würde. Lyrik als Sammelsurium an Lautmaterial, das dem Ungesagten Gestalt zu geben vermag. Im Schreiben wird es möglich, flüchtige Eindrücke in einem Sprachteppich zu verweben und zu verdichten. Die dabei entstehenden Gedichte bergen Erlebniswelten in Miniaturform in sich, die beim Lesen immer wieder auf- und entfaltet werden können.
Name: Friederike Haerter
Geburtsjahr: 1989
Wohnort: lebt und arbeitet in Paris
Genre: Lyrik
Friederike Haerter studierte Romanistik und Europäische Studien, unter anderem in Rostock, Aix-en-Provence und Paris. Veröffentlichung von Gedichten in diversen Literaturzeitschriften und Anthologien. Rostock-Stipendium 2014, Poetencamp-Teilnehmerin auf Hiddensee 2015, Jurypreis für Lyrik beim poetbewegt-Wettbewerb für junge Literatur 2016.
Kontakt: friederikehaerter(at)gmx.de
genügte
die Mühe das Gras
mit der Harke so groß
wie ich selbst
zusammenzukratzen
rücklings
zu fallen ein Nest
zu ebnen zu atmen
den Himmel zu sehn
genügte
ein Handumdrehn
dem Garten
Eden zu entwachsen
damals
an deiner Hand
das Dorf das Feld die Äcker
unter den Stiefeln kleben
Klumpen Uckermark
deine Jacke riecht nach dir
nach Birnenpflücken
und ich häng an deinen Lippen
als du damals sagst
seh ich es in
schwarz und weiß
ich bin fünf und der Klang von
Streifschuss oder Krähenort
lassen mir die Jahre aus dem Köpfchen
wachsen
an ihren Hälsen schwindelts mir
was soll das sein
bevor ich auf der Welt war
mutterseelenleise
ist mir ein jahrelanger
Hals gewachsen
damals sage ich nun selber
und sehe nicht mehr
schwarz und weiß
bis hierher
hast du die Ringe unter deinen Augen getragen
doch selbst der Wind der Magellanen nimmt sie dir nicht ab
hast verschätzt wie weit der Himmel
läuft erdabwärts und wie lang
es braucht erwägen wir das Ausmaß
deiner Einsamkeit verglichen mit dem Weltenende
hier der letzte Strand vorm Ozean
das falbe Fell obdachloser Hunde
auf der Mole Scharen Komorane
ein Schweigen beinah so eisern wie deins
vorm Ausblick auf die Gletscher
Fjorde gezackt in blaues Eis
rare Formen eines Fernwehs
das mit Ferne nicht zu lindern ist
schreib es aus schreib von den Fischern
einer Heimat die aus Feuer Land und Wasser
schreib die Weite klein schreib exakt vom
Auflösen der Enden am Kap schreib
den Nebel fest das Unwetter rein schreib
dir endlich die Landsuche ab
»Ich suche nicht, ich finde und entdecke und wundere mich.«
Bredtved, der gern experimentiert, will sich nicht auf einen Stil festlegen. Er malt expressive Bilder, fotografiert und filmt seine Umgebung, baut witzige Zeichenmaschinen und Objekte aus weggeworfenen Dingen. Dabei lässt er dem Zufall großen Raum – seine Arbeiten sind Collagen aus Gefundenem und Gesehenem, das er zerstückelt und neu zusammensetzt. Als moderner Indianer zieht der Künstler durch die Stadt mit äußerst scharfem Blick für das Kuriose, das für andere längst schon zum Alltäglichen geworden ist.
Reisestipendium der Stadt Århus 2014
Name: Michael Bredtvedt
Geburtsdatum: 1959
Wohnort: Århus, Dänemark
Genres: Bildende Kunst, Mixed Media
Michael Bredtved studierte von 1983 bis 1987 an der Aarhus Art Academy und von 1989 bis 1990 an der Academy of Fine Arts in Cairo, Ägypten.
Marlies Kuhn experimentiert mit Überlagerungen von Linien, die Formen ausbilden. In Schichten legt sie Farbflächen aus Aquarell übereinander. Die Formen liegen ziwschen Materialität und Transparenz.
Name: Marlies Kuhn
Geburtsdatum: 1978
Wohnort: Kiel
Genres: Bildende Kunst, Malerei, Zeichnung
Marlies Kuhn studierte von 2002 bis 2011 Freie Kunst an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel sowie an der Bergen Academy of Art and Design, Norwegen und der Royal Danish Academy of Fine Arts in Kopenhagen. Sie war Mitbegründerin und bis 2011 künstlerische Leiterin der Produzentengalerie Galerie Juni und leitete zwischen 2013 und 2014 den Kunstraum B in Kiel. 2014 erschien ihr erstes Künstlerbuch 21:37 bei hafenzimmer, Flensburg.
In Aarhus überarbeitete und vervollständigte Jörg Herrmann ein Drehbuch für einen Dokumentarfilm über den international bedeutenden Maler, Regisseur und Schriftsteller Peter Weiss, der vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren auch auf Rostocks kulturelles Leben einen großen Einfluß hatte. Der Film selbst konnte nicht realisiert werden, doch die Auseinandersetzung mit Weiss floss in die filmische Begleitung eines Lese- und Interviewprojektes im Rostocker Peter-Weiss-Haus zum 100. Geburtstag des Künstlers im Jahr 2016 ein. In Aarhus gestaltete Herrmann einen Filmabend im gastgebenden Kulturzentrum Godsabanen und knüpfte Kontakte zu Filmunternehmen der Stadt.
Reisestipendium der Hansestadt Rostock 2014 nach Aarhus
Name: Jörg Herrmann
Geburtsjahr: 1963
Wohnort: Rostock
Genre: Film
Jörg Herrmann studierte an der Universität Rostock Schiffstechnik und arbeitete mehrere Jahre in der Forschung. 1995 bis 1996 belegte er den Kurs Videographik / Videoproduktion am institut für neue medien rostock, den er mit Zertifikaten der IHK und der City and Guilds of London abschloss. In den Jahren 1996 und 1997 baute er als Redakteur, Kameramann und Cutter das Rostocker Stadtkulturfernsehen mit auf. Seit 1997 ist er als Autor und Regisseur nonfiktionaler Filmprojekte, hauptsächlich in den Bereichen Geschichte, Musik und Bildende Kunst tätig.
Anett Frontzek hat sich von Amt für Seeschifffahrt ein paar Decca-Seekarten geben lassen, die seit der Abschaltung dieses Funknavigationssystems im Jahre 2000 ausgedient haben. Durch ihre Verarbeitung in einem Gitternetz entfalten die Karten eine bemerkenswerte Bildwirkung – auch hier wirken die Schatten mit, in dem sie das Netz des ausgeschnittenen Gittermusters je nach Einfallswinkel der Lampen mehrfach auf Untergrund des Bildes werfen. Oder – wenn man es als Betrachter so sehen will – auf den Meeresboden.
Name: Anett Frontzek
Geburtsjahr: 1965
Wohnort: Dortmund
Genre: Grafik, Objekte
Anett Frontzek studierte von 1988 bis 1994 Freie Kunst an der Kunsthochschule Kassel. Seit 2009 lebt und arbeitet sie im Künstlerhaus Dortmund.
Eine integrative ganzheitliche Maßnahme der Arbeitsagentur in einem Klassenraum voller Umschüler läuft aus dem Ruder. Gleichzeitig werden die privaten Träume einer jungen Frau die Toilette runtergespült. In nüchternen Bildern erzählt dieser Kurzfilm eine Rostocker Geschichte als rabenschwarze Groteske.
Name: Karsten Kranzusch
Geburtsjahr: 1974
Wohnort: lebt und arbeitet in Berlin
Genre: Film
Karsten Kranzusch ist Mitglied des Filmemacher-Netzwerks »Rostocker Schule«. Sein Film »Betonfraß« wurde 2015 ausgezeichnet mit dem Publikumspreis »Goldener Reiter« beim 27. Internationalen Kurzfilmfestival in Dresden.
Das Phänomen des Eigenslebens von Formen und Farben weist möglicherweise auf die Natur der abstrakten Malerei im Allgemeinen und die Bedeutung der Bilder Felix Fugenzahns im Speziellen hin: Indem die ungegenständliche Malerei den Weltbezug der Kunst ausblendet, werden die Formen und Farben als solche zum Inhalt der Malerei. Jedoch nicht ganz. Denn in einer Weise zeigen die Bilder Fugenzahns etwas von der Welt. Sie können als Bilder aufgefasst werden von Aspekten des menschlichen Zusammenlebens, von der Komplexität der Verhältnisse zwischen dem einzelnen Individuum und der Gemeinschaft.
Name: Felix Fugenzahn
Geburtsjahr: 1980
Wohnort: lebt und arbeitet in Bobitz, Nordwestmecklenburg
Genre: Grafik, Malerei
Felix Fugenzahn (*1980) studierte von 1999 bis 2006 unter anderem Kunst auf Lehramt an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Seit 2008 arbeitet er freiberuflich als Grafiker und Maler.
Kunstverein zu Rostock e.V.
Thomas Häntzschel
Amberg 13
18055 Rostock
vorstand@kunstverein-rostock.de
Tel: 0381 4591222